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16.06.2025 06:31

Friedensforscher warnen vor neuem nuklearen Wettrüsten

STOCKHOLM (dpa-AFX) - Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri warnt angesichts der höchst angespannten Weltlage vor einem erneuten Rüstungswettlauf der Atommächte. Wie aus dem neuen Jahresbericht des unabhängigen Instituts hervorgeht, werden die weltweiten Atomwaffenarsenale immer weiter ausgebaut und modernisiert.

Fast alle Atomwaffenstaaten hätten sich 2024 weiterhin in intensiven Modernisierungsprogrammen befunden, bestehende Waffen nachgerüstet und ihnen neuere Versionen hinzugefügt, schreiben die Friedensforscher. Ein gefährliches neues nukleares Wettrüsten zeichne sich ab - und das in einer Zeit, in der es äußerst schlecht um die Verträge zur Rüstungskontrolle stehe.

Mehr als 12.000 atomare Sprengköpfe weltweit

Den weltweiten Gesamtbestand an Atomsprengköpfen schätzt Sipri auf 12.241. Davon befinden sich rund 9.614 für den potenziellen Einsatz in militärischen Lagerbeständen - das sind etwa 29 mehr als im Vorjahr. Schätzungsweise 3.912 der Sprengköpfe wurden demnach auf Raketen oder auf aktiven Stützpunkten platziert, darunter waren wiederum rund 2.100, die in hoher Einsatzbereitschaft gehalten wurden. All diese Werte bilden den Stand im Januar 2025 ab.

Neun Staaten der Erde gelten als Atommächte. Dazu zählen in erster Linie die USA und Russland, die historisch bedingt durch den Kalten Krieg auch heute noch zusammen über fast 90 Prozent aller Atomwaffen verfügen. Hinzu kommen Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel, das öffentlich nach wie vor nicht einräumt, im Besitz nuklearer Waffen zu sein. Deutschland besitzt keine Atomwaffen.

Eskalation zwischen Israel und dem Iran

Erneute Atomdebatten in Europa, Nahost und Ostasien deuten Sipri zufolge darauf hin, dass potenziell weitere Staaten ihre eigenen Kernwaffen entwickeln könnten. Die Atombemühungen des Irans sehen die Friedensforscher dabei zunehmend vom eskalierenden Konflikt mit Israel beeinflusst: Während dabei in innenpolitischen Debatten die potenziellen Vorteile einer nuklearen Abschreckung thematisiert würden, signalisiere die iranische Führung bei Gesprächen mit den USA über eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Westen Bereitschaft für atomare Zurückhaltung, heißt es im Bericht.

Israel hatte vor wenigen Tagen mit Großangriffen auf iranische Städte und Atomanlagen begonnen und dies unter anderem damit begründet, dass der Iran "nach dem Bau einer Atombombe in nächster Zeit" strebe. Teheran hat das stets dementiert.

Bald erstmals wieder mehr Atomwaffen in der Welt?

Seit Jahrzehnten ist die weltweite Zahl der Atomwaffen kontinuierlich gesunken - zu Spitzenzeiten des Kalten Krieges lag sie mehr als fünfmal so hoch wie heute. Dieser Rückgang ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass Russland und die USA ausrangierte Sprengköpfe nach und nach demontieren.

Bei der Zahl der einsatzfähigen Atomwaffen beobachtet Sipri dagegen schon seit längerem einen Anstieg. Während sich das Tempo der Demontage verlangsame, beschleunige sich zeitgleich die Bereitstellung neuer Waffen. Mit anderen Worten: Es sieht danach aus, dass bald mehr neue Atomwaffen bereitgestellt als alte ausrangiert werden. Der Gesamtbestand könnte damit in den nächsten Jahren erstmals wieder steigen.

"Die Ära der Verringerung der weltweiten Atomwaffenzahl, die seit dem Ende des Kalten Krieges andauerte, geht zu Ende", stellt der Sipri-Experte Hans Kristensen fest. "Stattdessen beobachten wir einen klaren Trend hin zu wachsenden Atomwaffenarsenalen, verschärfter nuklearer Rhetorik und der Aufkündigung von Rüstungskontrollabkommen", warnt er.

Dramatische Lage bei Rüstungskontrollabkommen

Gleich mehrere Abrüstungs- und Kontrollverträge haben in jüngerer Zeit stark gelitten. 2019 hatten die USA unter dem damaligen wie heutigen Präsidenten Donald Trump den INF-Vertrag zum Verzicht auf landgestützte atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen gekündigt und ein Jahr später auch den Rückzug aus dem Vertrag Open Skies über internationale militärische Beobachtungsflüge angekündigt. Daraufhin hatte auch Russland den Open-Skies-Austritt verkündet.

2022 vollzog Russland nach seinem Einmarsch in die Ukraine seinen Austritt aus dem Abrüstungsvertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag). Das Land von Kremlchef Wladimir Putin setzte damals auch den letzten großen atomaren Abrüstungsvertrag New Start mit den USA außer Kraft. Gespräche über ein Nachfolgeabkommen liegen seitdem auf Eis. Findet sich keine Lösung, läuft der Vertrag im Februar 2026 aus.

China rüstet auf

Im Schatten Washingtons und Moskaus kristallisiert sich derweil immer stärker eine dritte führende Atommacht heraus, die sich laut Sipri mitten in der umfassenden Modernisierung und Ausweitung ihres Atomwaffenprogramms befindet: China. Die chinesischen Bestände werden von dem Institut auf etwa 600 nukleare Sprengköpfe geschätzt. Das sind mittlerweile mehr als Frankreich (290) und Großbritannien (225) zusammen.

"Chinas Atomwaffenarsenal wächst schneller als das jedes anderen Landes: seit 2023 um etwa 100 neue Sprengköpfe pro Jahr", heißt es im Sipri-Bericht. Tendenz: weiter steigend.

"Atomwaffen garantieren keine Sicherheit"

Dann wären da noch Indien und Pakistan. Nach der jüngsten Konfrontation zwischen den beiden rivalisierenden Atommächten herrscht seit Mitte Mai eine Waffenruhe unter ihnen. Es habe eine Gefahr bestanden, einen konventionellen Konflikt in eine nukleare Krise zu verwandeln, erklärt Sipri-Experte Matt Korda. "Dies sollte eine eindringliche Warnung für Staaten sein, die ihre Abhängigkeit von Atomwaffen erhöhen wollen."

Die jüngsten Feindseligkeiten zwischen Indien und Pakistan zeigten, dass Atomwaffen keine Konflikte verhinderten, sagt er. "Es ist entscheidend, sich daran zu erinnern, dass Atomwaffen keine Sicherheit garantieren."

Ähnlich sieht man das bei der Friedensorganisation Greenpeace. "Die Kombination aus atomarer Aufrüstung und dem Erstarken nationalistischer und populistischer Kräfte in den Atomwaffenstaaten macht Angst", sagt Greenpeace-Abrüstungsexperte Alexander Lurz. Deutschland sei mit dem Kauf von atomwaffenfähigen F-35-Kampfjets für die nukleare Teilhabe selbst Teil dieser weltweiten Aufrüstung./trs/DP/mis



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