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07.12.2025 16:36

ROUNDUP: Merz und Netanjahu lassen Turbulenzen hinter sich

JERUSALEM (dpa-AFX) - Bundeskanzler Friedrich Merz und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu haben die heftigen Turbulenzen in den Beziehungen beider Länder während der vergangenen Monate zu einem großen Teil abgehakt. Beim Antrittsbesuch des Kanzlers in Jerusalem legten sie den Streit über die zwischenzeitlich weitgehend ausgesetzten deutschen Rüstungsexporte nach Israel ad acta und beschworen die besondere Partnerschaft zwischen beiden Ländern.

"Ich komme als ein Freund des Landes, als ein Freund Israels, der weiß, dass die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel unendlich wertvoll und kostbar ist", sagte Merz.

"Unveränderlicher Wesenskern" statt "Staatsräson"

Er bekannte sich wie alle seine Vorgänger zur besonderen Verantwortung Deutschlands für das Existenzrecht Israels - allerdings ohne den von Angela Merkel (CDU) geprägten und von Olaf Scholz (SPD) übernommenen Begriff der "Staatsräson" zu verwenden. Stattdessen trug er ins Gästebuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ein, das Einstehen Deutschlands für die Sicherheit Israels gehöre "zum unveränderlichen Wesenskern" der Beziehungen beider Länder. "Das gilt für heute, das gilt für morgen und das gilt für immer."

Netanjahu spricht von "historischem Wandel"

Netanjahu sprach von einem "historischen Wandel" der Beziehungen beider Länder und hob dabei die Zusammenarbeit im Rüstungsbereich hervor. "Nicht nur Deutschland arbeitet für die Verteidigung Israels, sondern Israel, der jüdische Staat, arbeitet 80 Jahre nach dem Holocaust für die Verteidigung Deutschlands", sagte Netanjahu. "Und das ist ein historischer Wandel, der in einer Zeit großer internationaler Turbulenzen und Veränderungen stattfindet."

Gemeint ist vor allem das gerade erst in Betrieb genommene israelische Raketenabwehrsystem Arrow 3, das Deutschland vor russischen Raketenangriffen schützen soll. Deutschland liefert umgekehrt schon seit Jahrzehnten auch größere Waffensysteme nach Israel, zuletzt vor allem U-Boote, die teilweise mit deutschen Steuergeldern finanziert sind.

Teil-Exportstopp für Rüstungsgüter abgehakt

Merz war der erste Regierungschef eines größeren europäischen Landes, der seit dem Waffenstillstand im Gaza-Krieg Israel besuchte. Deutschland gilt neben den USA als wichtigster Verbündeter der israelischen Regierung, die wegen des militärischen Vorgehens im Gaza-Krieg massiv in die Kritik geraten ist. Auch Merz reagierte im August darauf und schränkte die Rüstungsexporte nach Israel ein. Das sorgte dort für massiven Ärger. Netanjahu warf dem Kanzler vor, der islamistischen Hamas im Gazastreifen in die Hände zu spielen.

Erst Ende November wurde die Sanktion aufgehoben. Die Entscheidung machte den Weg für den Antrittsbesuch des Kanzlers frei. Im Rückblick sagt Merz nun über seine Entscheidung, sie sei den besonderen Umständen dieser Tage und Wochen geschuldet gewesen. "Die Umstände haben sich geändert und deswegen gilt diese Entscheidung auch nicht fort."

Merz: Kritik an Regierung darf nicht zu Antisemitismus werden

Merz betonte das Recht Israels, sich selbst zu verteidigen und ging auch auf die massive Kritik an Israel in Deutschland wegen des Gaza-Kriegs ein. "Kritik an der israelischen Regierung ist möglich und manchmal vielleicht sogar notwendig", sagte er. "Aber Kritik an der Politik der israelischen Regierung darf nicht als Vorwand für Antisemitismus missbraucht werden, schon gar nicht in Deutschland. Auch das zählt zu unserer geschichtlichen Verantwortung."

Holocaust-Gedenken: "Wir werden die Erinnerung lebendig halten"

Zu Beginn seines zweiten Besuchstags verneigte sich Merz in der Gedenkstätte Yad Vashem vor den während der Nazi-Diktatur ermordeten sechs Millionen Juden. "Wir werden die Erinnerung lebendig halten an das furchtbare Verbrechen der Shoa, das Deutsche am jüdischen Volk begangen haben", schrieb er in das Gästebuch. Merz legte anschließend in der Halle der Erinnerung einen Kranz nieder und entzündete die Ewige Flamme.

Merz fordert Zweistaatenlösung - aber nicht besonders vehement

Einen großen Teil des Gesprächs mit Netanjahu nahm die Lage im Nahen Osten nach dem Waffenstillstand in Gaza ein. Merz sagte, man arbeite "mit an dem Ziel eines neuen Nahen Ostens". Zu einer Zweistaatenlösung in absehbarer Zukunft, die zwei friedlich nebeneinander existierende Staaten Israel und Palästina vorsieht, äußerte er sich aber eher zurückhaltend. "Unsere Überzeugung lautet, die perspektivische Gründung eines palästinensischen Staats an der Seite Israels eröffnet vermutlich die beste Aussicht auf diese Zukunft."

Warnung vor Annexionen im Westjordanland

Merz hatte bereits am Samstag bei seinem Besuch in Jordanien auf Fortschritte im Nahost-Friedensprozess gedrängt. Er richtete von dort aus auch mahnende Worte an Israel. Die Lage im Westjordanland dürfe nicht aus dem Blick geraten, sagte er. "Wir müssen den Weg zur palästinensischen Staatlichkeit offenhalten. Deshalb darf es keine Annexionsschritte im Westjordanland geben." Ultrarechte Mitglieder der Regierung Netanjahu machen sich seit langem für eine Annexion des Westjordanlands stark. Die Palästinenser beanspruchen das Gebiet als Teil eines künftigen unabhängigen Staates. Netanjahu sagte, es gebe keine Annexionspläne im Westjordanland "in nächster Zeit".

Keine Einladung an Netanjahu nach Deutschland

Ein heikles Thema umschiffte Merz bei dem Besuch. Eine Gegeneinladung Netanjahus nach Deutschland sei derzeit kein Thema, sagte er. "Dafür gibt es im Augenblick auch keine Veranlassung, darüber zu sprechen. Wenn es die Zeit erlaubt, dann würde ich gegebenenfalls eine solche Einladung aussprechen, aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt für uns beide kein Thema."

Gegen Netanjahu liegt seit November 2024 ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen Kriegsverbrechen im Gazastreifen vor. Netanjahu weist die Vorwürfe entschieden zurück. Israel erkennt das Gericht nicht an und fordert eine Aufhebung der Haftbefehle.

Netanjahu sagte, natürlich würde er sich freuen, Deutschland wieder zu besuchen und dort mit dem Bundeskanzler zu sprechen. Er verwies aber auf den Haftbefehl, den er erneut scharf kritisierte./mfi/DP/mis



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