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08.08.2025 06:23

Libanon: Streit um Entwaffnung der Hisbollah eskaliert

BEIRUT (dpa-AFX) - Im Libanon verschärft sich die Debatte um eine Entwaffnung der proiranischen Hisbollah. Die libanesische Regierung hat per Kabinettsbeschluss einem US-Plan zugestimmt, der vorsieht, dass bis zum Jahresende alle Waffen im Land unter staatliche Kontrolle fallen sollen. Auch Israel drängt auf eine Entwaffnung der Hisbollah, die seit Jahrzehnten als mächtigster nicht staatlicher Akteur im Libanon agiert.

Die Hisbollah lehnt ihre Entwaffnung ab. Sie argumentiert, dass die israelischen Angriffe auf Ziele im Libanon trotz einer Waffenruhe anhalten und Israel weiterhin fünf Posten im Südlibanon besetzt.

Experten halten eine vollständige Entwaffnung der Hisbollah für extrem schwierig, da die Organisation über ein umfangreiches Waffenarsenal verfügt und tief in Teilen der libanesischen Gesellschaft verwurzelt ist.

Der Krieg mit Israel hat jedoch die Machtverhältnisse im Land verändert. Steht der Libanon jetzt vor einem Wendepunkt oder droht dem Mittelmeerstaat eine weitere Krise? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie stark ist die Hisbollah im Vergleich zur regulären libanesischen Armee?

Die Hisbollah verfügt über eine eigene militärische Struktur mit bewaffneten Einheiten. Sie agiert unabhängig von der staatlichen Armee. Die Miliz besitzt ein eigenes Arsenal an Raketen und Artillerie. Seit ihrer Gründung 1982 belieferte der Iran sie mit Waffen. Gemeinsamer Erzfeind ist Israel.

Dank der iranischen Unterstützung ist die Ausrüstung der Hisbollah moderner als die der libanesischen Streitkräfte, die durch eine andauernde Wirtschaftskrise und politische Krisen geschwächt sind. Besonders im Süden des Landes galt die Hisbollah lange Zeit als militärisch überlegen.

Unterschätzen sollte man sie nicht, sagt Michael Young vom Carnegie Middle East Center der Deutschen Presse-Agentur. Sollte es zu einer militärischen Konfrontation mit der Armee kommen, hätte die Hisbollah die Mittel, um sich zu verteidigen und um eine Patt-Situation herbeizuführen.

Wie viel politische Macht hat die Hisbollah noch?

Politisch bleibt die Hisbollah ein zentraler Akteur. Sie ist in dem multikonfessionellen Land auch im Parlament vertreten und genießt vor allem in der schiitischen Gemeinschaft großen Einfluss. Dank ihrer seit Jahren gewachsene Macht konnte sie in der Vergangenheit immer wieder politische Prozesse behindern oder blockieren.

Zwar habe ihre Fähigkeit zur Einschüchterung abgenommen, doch bleibt ihr "die Macht der starken Gemeinschaft", erklärt Experte Young. Ihr Bündnis mit Parlamentspräsident Nabih Berri, einem der mächtigsten Politiker des Landes und Anführer der ebenfalls schiitischen Amal-Bewegung, sichert ihr weiterhin erheblichen Einfluss, da weder Präsident Joseph Aoun noch Ministerpräsident Nauaf Salam eine Konfrontation mit Berri suchen. Gegen Israel hingegen "könne sie nicht viel ausrichten", so Young.

Welches Interesse verfolgt die Regierung mit der Entwaffnung?

Israel, die USA und die libanesische Regierung drängen auf eine Entwaffnung der Hisbollah, um eine neue Phase für den Libanon einzuläuten. Nizar Ghanem, Direktor des libanesischen Tinktanks Triangle, erklärt, dass dies den Libanon zurück auf die internationale Bühne bringen soll. Das Land sei isoliert. Eine bewaffnete Hisbollah, die lange Zeit wie ein Staat im Staate agiert habe, halte auch Investoren aus den arabischen Golfstaaten ab. Ohne eine Hisbollah unter Waffen könnte auch die Wirtschaft wieder wachsen.

Präsident Aoun bekräftigte mehrmals, dass alle Waffen unter staatliche Kontrolle fallen müssten, um eine "neue Phase in der Geschichte des Libanons" einzuläuten. Dazu zählt auch die Neuordnung der seit Jahren festgefahrenen Machtverhältnisse.

Wie reagiert die Hisbollah?

Die Hisbollah lehnt eine Entwaffnung ab, solange Israel weiter Ziele im Land angreift und israelische Truppen im Südlibanon stationiert sind. Sie sieht in einer Entwaffnung eine Schwächung des ganzen Landes und eine Erfüllung israelischer Interessen. Die Hisbollah sieht sich als einzig wahre Macht, um Widerstand gegen Israel leisten zu können.

Laut Experte Young ist ein kompletter Verzicht der Hisbollah auf Waffen derzeit kaum vorstellbar: "Selbst das Einsammeln schwerer Waffen wäre schon schwierig". Eine völlige Entwaffnung sei vermutlich nie vollständig realisierbar. Denn die Miliz und ihre Mitglieder seien auch im Besitz zahlreicher leichter Waffen. Die aktuelle Patt-Situation mache es noch schwieriger.

Wie geht es jetzt weiter?

Noch gibt es keinen Plan, wie die Entwaffnung vonstattengehen soll. Die Armee soll einen bis Ende des Monats ausarbeiten. Sollte die Regierung dann konkrete Schritte einleiten, könnte eine innenpolitische Krise drohen.

Die Hisbollah könnte Entscheidungen der Regierung mit Hilfe ihrer Verbündeten blockieren. Schon zuvor hatte das oft als "schiitisches Duo" bezeichnete Bündnis aus Hisbollah und Amal-Bewegung erklärt, sich gegen jegliche Entwaffnung zu stellen. Die Hisbollah könnte ihre Hunderttausenden Anhänger mobilisieren und ihre Mitglieder aus der Regierung abziehen, was das fragile politische Gleichgewicht im Land gefährden würde.

Gleichzeitig könnte Israel seinen Druck erhöhen, um die Entwaffnung militärisch durchzusetzen. Die Situation bleibt in jedem Fall angespannt./arj/DP/zb



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