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04.08.2025 18:27

ROUNDUP 3/Milliarden fürs Bürgergeld: Soll man bei Ukrainern sparen?

(neu: Äußerung Klingbeil in Washington im 2. Absatz)

BERLIN/WASHINGTON (dpa-AFX) - Nach dem Anstieg der Bürgergeld-Zahlungen auf rund 47 Milliarden Euro ist eine hitzige Debatte über Einsparungen entbrannt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schlägt vor, allen Geflüchteten aus der Ukraine das Bürgergeld zu streichen und ihnen nur noch die geringeren Asylbewerberleistungen zu gewähren. Die Idee weckt erwartbar Widerstand bei der SPD, denn sie geht über den Koalitionsvertrag hinaus.

SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil betonte am Rande seines Antrittsbesuchs in den USA, der Vorschlag "trägt, glaube ich, nicht dazu bei, dass wir in der Koalition gemeinsam vorankommen". Er stehe zur Vereinbarung des Koalitionsvertrags, neu ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine nicht mehr ins Bürgergeld aufzunehmen, betonte Klingbeil. "Das wird jetzt auch so schnell wie möglich umgesetzt." Was unausgesprochen blieb: Von einer Ausweitung auf ukrainische Flüchtlinge, die bereits in Deutschland sind, hält der SPD-Chef nichts.

Die zuständige Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) würdigte Söders Vorschlag keines Kommentars. Eine Sprecherin ihres Ministeriums verwies ebenfalls auf den Koalitionsvertrag. Dieser sieht Asylbewerberleistungen nur für jene Geflüchtete aus der Ukraine vor, die seit dem 1. April 2025 eingereist sind - und eben nicht für alle. Die Arbeiten an einem Gesetzentwurf hätten im Mai begonnen und würden "zügig und mit der gebotenen Sorgfalt fortgeführt", erklärte das Ministerium. Insgesamt werde die geplante Bürgergeld-Reform auch Einsparungen bringen.

Zahlungen gestiegen

Hintergrund der Debatte sind die Bürgergeldzahlen für 2024. Nach Angaben des Sozialministeriums auf eine Anfrage der AfD zahlte der Staat rund 46,9 Milliarden Euro an Hilfen - rund vier Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor. Unter den Beziehern sind mehrere Hunderttausend Ukrainerinnen und Ukrainer und deren Kinder, die seit 2022 vor dem russischen Angriffskrieg geflüchtet sind. An sie flossen 2024 laut Ministerium rund 6,3 Milliarden Euro.

Söder sagte am Sonntag im ZDF, er sei dafür, dass die in Deutschland lebenden Ukrainer kein Bürgergeld mehr erhalten sollten, "und zwar am besten nicht nur die, die in der Zukunft kommen, sondern alle". Söder meinte, die neuen US-Zölle auf Importe aus Europa veränderten die wirtschaftliche Lage. Die Koalition brauche ein "Update, was wirtschaftlich notwendig ist", sagte der CSU-Chef.

SPD widerspricht

Der SPD-Politiker Dirk Wiese widersprach ruhig, aber eindeutig. Die Einsparungen würden überschätzt und der Verwaltungsaufwand der Kommunen wäre enorm, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Der Zuwachs an Bürokratie hebe Einsparungen faktisch wieder auf. "Das wäre einzig und allein das Prinzip 'rechte Tasche, linke Tasche'."

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund stellte auch prompt klar, dass die Kommunen die Kosten für ukrainische Geflüchtete nicht selbst schultern könnten. Falls es zu dem Wechsel käme, müssten Bund und Länder die Ausgaben komplett übernehmen, sagte Verbandspräsident Ralph Spiegler der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Die Kommunen sind im Prinzip für die Leistungen an Asylbewerber zuständig, bekommen dafür aber Unterstützung von Land und Bund.

Für Alleinstehende liegt das Bürgergeld seit der letzten Erhöhung 2024 bei 563 Euro im Monat. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen Alleinstehende 441 Euro. Unterbringungskosten kommen gegebenenfalls in beiden Fällen hinzu. Der enge Wohnungsmarkt und gestiegene Heizkosten treiben da die Ausgaben.

Experte pocht auf Arbeitsmarktvermittlung

Der Ökonom Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB sieht einen entscheidenden Nachteil beim Wechsel vom Bürgergeld ins Leistungsrecht für Asylbewerber: "In der Grundsicherung gibt es Beratung, Vermittlung, Qualifizierung: Genau das, was die Menschen brauchen. Wenn sie nicht im System der Grundsicherung sind, haben sie davon viel weniger."

Söder und andere Unionspolitiker wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) verweisen darauf, dass in anderen europäischen Ländern viel mehr geflüchtete Ukrainer in Arbeit seien. Das sieht auch Arbeitsmarktforscher Weber. Aber er betont: "Die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten braucht Zeit." Problematisch findet Weber, dass es für ukrainische Geflüchtete in Deutschland am Anfang lange Wartezeiten auf Sprach- und Integrationskurse gab. "Das könnte schneller gehen, wenn man Sprachförderung und Qualifizierung berufsbegleitend anbietet."

Union verkämpft sich nicht für Söders Vorschlag

Klare Unterstützung bekam Söder eigentlich zunächst nur von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht. Es sei falsch, dass Flüchtlinge nach kurzer Zeit genauso behandelt würden wie Menschen, die hier jahrzehntelang gearbeitet hätten, sagte Wagenknecht. "Söders Vorschlag geht daher in die richtige Richtung."

Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) zeigte sich in einem Interview von RTL/ntv zwar offen für Söders Vorschlag. Er monierte, dass in Deutschland nur jeder dritte erwerbsfähige Ukrainer arbeitete. Allerdings sieht auch Frei, dass man den Koalitionsvertrag nur einvernehmlich ändern könnte. Darüber werde man mit der SPD sprechen müssen, sagte der Kanzleramtschef.

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche äußerte sich nur allgemein: "Es muss gelten, dass sich Arbeiten mehr lohnt als zu Hause bleiben", sagte Reiche. Vom Arbeitnehmerflügel der Union bekam Söder sogar heftig Kontra. CDA-Chef Dennis Radtke wandte sich im "Focus" gegen "breitbeinige und marktschreierische Forderungen beim Thema Flucht und Asyl".

Reform kommt

So ist fraglich, ob Söders Vorstoß fruchtet. Klar ist allerdings, dass eine Reform des Bürgergelds ansteht - so ist es im Koalitionsvertrag festgehalten. Unter anderem sollen Bezüge leichter gekürzt werden können, wenn jemand sich konsequent weigert, Jobs anzunehmen. Die SPD pocht vor allem darauf, Missbrauch und kriminelle Machenschaften zu unterbinden. "Wer das System ausnutzt, dem muss mit klaren Sanktionen begegnet werden", erklärte Wiese. "Bandenmäßiger Betrug oder Schwarzarbeit - wie etwa im Ruhrgebiet - dürfen nicht toleriert werden."

Das Sozialministerium zeigt sich sicher, dass die geplanten Neuerungen insgesamt ab 2026 Einsparungen bringen werden. Wie viel es sein wird, ist offen. Die Ministeriumssprecherin betonte auch, beim Bürgergeld sei bereits ein Rückgang der Leistungsberechtigten zu beobachten. Es würden etwas mehr Menschen in den Arbeitsmarkt integriert. Die Umgestaltung der Grundsicherung werde die Vermittlung in Arbeit weiter stärken, betonte die Sprecherin./hoe/DP/jha



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