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03.08.2025 12:05

Waren bald hinter Glas? Handel klagt über Diebesbanden

Einzelhandel

Berlin (dpa) - Möglichst heimlich und unauffällig, schwitzige Hände und versteckte Blicke: So dürften sich die meisten Menschen einen Ladendieb vorstellen. Doch in der Realität sieht es mittlerweile anders aus. 

«Tätergruppen fahren gezielt durch Innenstädte, stehlen hochwertige Ware – Parfüm, Schuhe, Elektronik – und verkaufen sie auf dem Graumarkt», sagt Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), im Gespräch mit dem Portal «t-online.de». Das Forschungsinstitut EHI stellte in einer Studie fest: «Ladendiebstähle werden immer häufiger organisiert begangen. Entweder als beauftragte Einzeltäter oder in Gruppen mit gezielter Aufgabenverteilung.»

Nach Schätzungen der befragten Händler machen solche Taten rund ein Drittel der Ladendiebstähle aus im Wert von fast einer Milliarde Euro. Tendenz steigend. 

Britische Verhältnisse?

Drohen dem deutschen Einzelhandel britische Verhältnisse? Dort eskaliert die Situation seit einigen Jahren, ganze Banden gehen organisiert und teils brutal vor, oft ohne Scheu, die Gesichter nicht vermummt. Von einer «Epidemie des Ladendiebstahls» sprechen Experten auf der Insel seit längerem. 

Zwischen April 2024 und März 2025 registrierte das britische Statistikamt insgesamt 530.643 Ladendiebstähle in England und Wales. Ein Plus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die tatsächliche Anzahl liegt schätzungsweise um ein Vielfaches höher. Allein der Verband Association of Convenience Stores spricht von mehr als 6,2 Millionen Fällen, wie die BBC berichtete.

Auch in Deutschland steigen die Zahlen. «Der Schaden durch Ladendiebstahl lag 2024 bei drei Milliarden Euro – 20 Prozent mehr als 2022», sagte HDE-Chef Genth. Außer organisierten Banden machten auch aggressive Einzeltäter Sorgen, die Mitarbeiter angriffen, wenn sie erwischt werden.

Wer stiehlt und was?

Laut EHI nimmt zudem wegen der zuletzt schlechten wirtschaftlichen Lage die Zahl der Menschen zu, «die sich bestimmte Produkte nicht mehr leisten können oder wollen». EHI-Experte und -Studienautor Frank Horst sagte Ende Juni bei Vorstellung des Berichts: «Immer häufiger klauen auch Senioren und Familien.» 

Beliebte Diebesgüter sind laut EHI-Untersuchung vor allem alkoholische Getränke, Markenkleidung, Sneakers, Elektrogeräte sowie Tabakwaren. In Drogerien stehen demnach Produkte wie Parfüms, Kosmetik, Babynahrung oder Rasierklingen im Fokus der Ladendiebe.

Ein Grund für den Anstieg ist der Personalmangel. Vor allem in kleineren Läden ist häufig nur eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter im Einsatz, muss aber mehrere Aufgaben erfüllen und kann oft genug nicht schnell reagieren.

Manche Experten sind überzeugt, dass die Selbstbedienungskassen, die immer mehr in Geschäften zu finden sind, häufigeren Diebstahl erleichtern. Es sei davon auszugehen, dass der Ladendiebstahl um 15 bis 30 Prozent höher liege als an bedienten Kassen, sagte EHI-Experte Horst zu Jahresbeginn. HDE-Chef Genth weist das zurück: «Diesen Zusammenhang können wir nicht bestätigen.»

«98 Prozent der Diebstähle werden nicht angezeigt»

Bei der Strafverfolgung sieht Genth Defizite. «Händler erstatten Anzeige, und die Staatsanwaltschaften stellen anschließend aus Effizienzgründen ein. In der Konsequenz melden viele Händler frustriert viele Ladendiebstähle nicht mehr bei der Polizei», sagt er. «Deshalb ist die Dunkelziffer extrem hoch: 98 Prozent der Diebstähle werden nicht angezeigt.»

Genth fordert gesetzliche Änderungen, Investitionen in Sicherheit und eine bessere Ausstattung der Justiz. «Ich fürchte Zustände wie in den USA, wo fast alles hinter Glas liegt. Das ist ein Ausdruck von Misstrauen gegenüber allen Kunden – obwohl über 90 Prozent ehrlich sind.» Der Staat müsse deshalb die Strafverfolgungsbehörden besser ausstatten.

Für die Händler kostet es viel Geld, sich gegen Diebstahl zu schützen. Rund 1,5 Milliarden im vergangenen Jahr, etwa für Videoüberwachungen, Schulungen und zusätzliches Sicherheitspersonal, heißt es vom HDE. «Und es führt dazu, dass immer mehr Waren weggeschlossen werden. Ich fürchte Zustände wie in den USA, wo fast alles hinter Glas liegt», sagt Verbandschef Genth. Unrealistisch erscheint das nicht: Die Mehrzahl der Händler rechnet eher damit, dass vor allem der organisierte Ladendiebstahl in Zukunft noch zunehmend wird.



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