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21.05.2025 14:48

Wirtschaftsweise senken Prognose - Last für neue Koalition

Frühjahrsgutachten

Berlin (dpa) - Die deutsche Wirtschaft tritt weiter auf der Stelle - das dürfte sich auch unter der neuen Bundesregierung so schnell nicht ändern. Die «Wirtschaftsweisen» senken ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr und erwarten für 2025 nur eine Stagnation des Bruttoinlandsprodukts. Im Herbst hatte der Sachverständigenrat noch mit einem Wachstum von 0,4 Prozent gerechnet. 

Die deutsche Wirtschaft befinde sich weiterhin in einer «ausgeprägten Schwächephase», teilte das fünfköpfige Gremium in Berlin mit. 2026 könnte sich die Konjunktur etwas erholen, mit einem Plus von einem Prozent Wachstum. Doch ob Deutschland auch mittel- und langfristig zurück in die wirtschaftliche Erfolgsspur findet, ist aus Sicht der Experten alles andere als sicher. 

Lange Konjunkturflaute

Nach zwei Rezessionsjahren in Folge hatte vor einem Monat der damalige Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Prognose der Regierung bereits heruntergeschraubt. Auch Habeck hatte nur eine Stagnation des Bruttoinlandsprodukts erwartet und für 2026 ein Wachstum von 1,0 Prozent. 

Aus Sicht der «Wirtschaftsweisen» bremsen bürokratische Anforderungen und lange Genehmigungsverfahren das Wachstum. Auch die unberechenbare und sprunghafte Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump belaste die exportorientierte deutsche Wirtschaft. Der dadurch beschleunigte Strukturwandel werde in Zukunft auch Branchen und Regionen in Deutschland erreichen, die bisher wirtschaftsstark waren, wie es im Frühjahrsgutachten heißt. 

Schlechtere Aussichten für Arbeitsmarkt

Die wirtschaftliche Schwäche zeige sich am Arbeitsmarkt, heißt es im Gutachten. Im April war die Frühjahrsbelebung laut Bundesagentur für Arbeit vergleichsweise schwach ausgefallen. Die «Wirtschaftsweisen» rechnen damit, dass die Arbeitslosenquote im Jahr 2025 auf 6,2 Prozent steigt. 

Entspannung bei Inflation

Die Inflation geht laut Prognose in diesem und im kommenden Jahr voraussichtlich weiter leicht zurück: 2025 auf durchschnittlich 2,1 Prozent, 2026 auf 2,0 Prozent. Diese Prognose sei allerdings noch «mit großer Unsicherheit behaftet», so die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Handelskonflikte könnten die Preise erneut in Bewegung bringen, sowohl nach oben, als auch nach unten. Auch voluminöse Ausgabenprogramme der Bundesregierung könnten die inländische Nachfrage ankurbeln und die Preise wieder schneller in die Höhe treiben. 

Chancen durch riesiges Schuldenpaket

Die neue Bundesregierung aus Union und SPD will die Wirtschaft mit verschiedenen Maßnahmen entlasten. Für mehr Wachstum soll auch das 500 Milliarden schwere, kreditfinanzierte Paket für zusätzliche Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz sorgen. 

Die «Wirtschaftsweisen» halten es für entscheidend, wie die Mittel konkret eingesetzt werden: Je mehr in zusätzliche öffentliche Investitionen fließe, desto größer seien die langfristigen Wachstumseffekte, heißt es im Frühjahrsgutachten. «Das Finanzpaket bietet eine große Chance:
Richtig eingesetzt können die Mittel Deutschland zukunftsfähig machen und die Volkswirtschaft wieder auf einen höheren Wachstumspfad führen», sagte Ratsmitglied Achim Truger. 

Botschaft an Merz

Um zu verhindern, dass die Mittel aus dem Paket für Konsum oder für bereits fest verplante Haushaltsposten ausgegeben werden, fordern die «Wirtschaftsweisen» die Regierung zu klaren gesetzlichen Leitplanken auf. So solle gesetzlich festgeschrieben werden, dass mindestens zehn Prozent des Kernhaushalts in Investitionen fließen müssen. 

Mit Blick auf die aktuelle Aufstellung des Haushalts durch die Regierung könne man jedoch Sorge haben, ob das tatsächlich so gelingen werde, sagte die Ratsvorsitzende Monika Schnitzer. «Wir werden gleich beim Mittagessen mit dem Kanzler darauf noch mal sehr deutlich hinweisen.» 

«Wirtschaftsweise» gespalten

Experten zufolge droht Deutschland mit dem Milliarden-Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur die EU-Schuldenvorgaben nicht einzuhalten. Die «Wirtschaftsweisen» sind in dieser Frage gespalten. Während die Mehrheit des Gremiums zumindest die Möglichkeit sieht, dass Deutschland durch eine besonders investitionsorientierte Verwendung der Mittel entsprechende Wachstumseffekte generieren kann und so die Schuldenstandsquote innerhalb der EU-Vorgaben halten kann, ist die «Wirtschaftsweise» Grimm dezidiert anderer Meinung. 

Sie warnt, dass der deutsche Schuldenstand auch bei einer Verwendung der Mittel für Investitionen nicht sinken, sondern weiter steigen wird. Eine Einhaltung der EU-Schuldenregeln sei daher «nicht realistisch». Grimm wirft ihren Kollegen vor, eine Aufweichung der europäischen Regeln nicht kritisch genug zu sehen. Eine Missachtung der EU-Fiskalregeln durch das größte Mitgliedsland der EU führe jedoch dazu, dass die Regeln auch in den anderen Ländern der Eurozone ihre Bindungskraft einbüßen, was eine europäische Schuldenkrise wahrscheinlicher mache. 

Wirtschaftsweise fordern Tempo für weniger Bürokratie

Neben Investitionen in die Infrastruktur sehen die Ökonomen auch beim Bürokratieabbau erheblichen Nachholbedarf. Dieser müsse endlich Fahrt aufnehmen. Wirtschaftsverbände sehen Bürokratielasten wie das Lieferkettengesetz als einen der wesentlichen Gründe für die Konjunkturflaute. Die «Wirtschaftsweisen» schlagen unter anderem weniger Informationspflichten, schnellere Antrags- und Genehmigungsverfahren und eine Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung vor. 

Ziel sei es, nicht nur bestehende Auflagen zu verringern, sondern auch einem erneuten Bürokratieanstieg vorzubeugen. «Gesetze, bei denen unklar ist, ob sie das gesteckte Ziel erreichen, und die hohe Kosten verursachen, sind zu hinterfragen», sagte Ratsmitglied Martin Werding. 

Wirtschaftsweise: Nicht zu lange an alten Strukturen festhalten

Die Sachverständigen fordern die Regierung zu einem neuen Kurs in der Wirtschaftspolitik auf. «Eine Wirtschaftspolitik, die darauf setzt, den Strukturwandel mit Subventionen aufzuhalten, kann auf Dauer nicht erfolgreich sein», sagte die Ratsvorsitzende Schnitzer. 

Statt Arbeitsplätze zu erhalten, die langfristig «nicht überlebensfähig» seien, solle man gezielt den Übergang in neue Geschäftsmodelle und Berufe fördern, etwa durch Investitionen in ein modernes Straßen- und Schienennetz, in digitale Infrastruktur oder in Forschung, von der möglichst viele Branchen profitieren.



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