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02.12.2024 16:44 ROUNDUP/Scholz aus Kiew an Putin: 'Wir haben einen langen Atem' KIEW (dpa-AFX) - Bei seinem ersten Besuch in Kiew seit zweieinhalb Jahren hat Bundeskanzler Olaf Scholz der Ukraine anhaltende Waffenlieferungen zugesichert und eine Botschaft nach Moskau gesendet: "Wir haben einen langen Atem. Und wir werden an der Seite der Ukraine stehen, solange wie das nötig ist." Noch in diesem Jahr sollen weitere Rüstungsgüter im Wert von 650 Millionen Euro aus bereits zugesagten Mitteln zur Verfügung gestellt werden - darunter Kampfpanzer, Raketen, Drohnen und Flugabwehrsysteme.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte Scholz zwar für die Hilfe. Zwei dringende ukrainische Wünsche bleiben aber unerfüllt: Die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper und eine Einladung der Ukraine in die Nato.
Neunstündige Fahrt mit einem Sonderzug
Scholz kam am Morgen nach gut neunstündiger Fahrt mit einem Sonderzug aus Polen in Kiew an. Zusammen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj besuchte er dort zunächst verwundete Soldaten in einem Krankenhaus, darunter auch einige, die Gliedmaßen verloren haben.
Anschließend sahen sich die beiden eine Präsentation von Drohnen an, die im Abwehrkampf gegen Russland eingesetzt werden. Dazu gehört auch eine deutsche Drohne der Firma Helsing, mit der an der Front gepanzerte russische Fahrzeuge bekämpft werden sollen. 4000 davon werden in den nächsten Wochen ausgeliefert.
Luftabwehrsysteme, Kampfpanzer und Raketen
Sie gehören zu dem von Scholz bis Ende des Jahres angekündigten Waffenpaket. Außerdem dabei: zwei Luftabwehrsysteme Iris-T, zehn Leopard-1A5-Kampfpanzer, 60 Schützen- und Kampfpanzer der Typen M84 und M80 sowie 6000 ungelenkte und 500 gelenkte Raketen.
An der Sophienkathedrale im Zentrum Kiews wurde Scholz offiziell mit militärischen Ehren empfangen. Eine außergewöhnliche Geste in Kriegszeiten, die es zuletzt bei Besuchen von Staats- und Regierungschefs in Kiew nicht mehr gegeben hat. Der Kanzler grüßte die Soldaten mit "Slawa Ukrajini" (Ruhm der Ukraine), dem vorgeschriebenen militärischen Gruß, worauf die Ehrengarde mit "Herojam Slawa" (Ruhm den Helden) antwortete.
Scholz bekräftigt Nein zu Taurus - Selenskyj reagiert höflich
"Deutschland steht fest an der Seite der Ukraine", sagte Scholz nach seinem anschließenden Gespräch mit Selenskyj auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. Sein Nein zu den Taurus-Raketen, mit denen man von der Ukraine aus auch Ziele in Moskau treffen kann, bekräftigte der Kanzler aber: "Das hat was mit der Reichweite zu tun und den Notwendigkeiten, die Zielsteuerung zu kontrollieren."
Selenskyj, der die Marschflugkörper schon im Mai 2023 formell bei der Bundesregierung erbeten hat, reagierte betont höflich auf die erneute Absage. "Die Taurus-Frage ist für uns eine Herausforderung. Wir haben dazu viel gehört, an der Position Deutschlands gearbeitet", sagte er. Zur Frage, welchen Unterschied Taurus für den Abwehrkampf gegen Russland machen würde, schob er dann aber noch nach: "Wir könnten mehr militärische Ziele in der Russischen Föderation treffen." Genau das will Scholz nicht, weil er eine Eskalation des Krieges befürchtet.
Deutschland gilt dennoch nach den USA als wichtigster Waffenlieferant der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. Nach deutschen Regierungsangaben wurden seit der russischen Invasion am 24. Februar 2022 deutsche Waffen und militärische Ausrüstung im Wert von rund 28 Milliarden Euro in die Ukraine geliefert oder zugesagt.
Zuletzt war Scholz mit Macron und Draghi in Kiew
Der Kanzler war kurz vor der russischen Invasion im Februar 2022 erstmals in der ukrainischen Hauptstadt. Vier Monate nach dem russischen Angriff folgte im Juni 2022 ein weiterer Besuch zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem damaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi. Die drei machten dabei den Weg dafür frei, dass die Ukraine EU-Beitrittskandidat wurde.
Der Wunsch nach einer formellen Einladung in die Nato wurde der Ukraine dagegen bis heute nicht erfüllt. Selenskyj erhöht angesichts der russischen Gebietsgewinne in den vergangenen Wochen nun allerdings den Druck. "Die Einladung in die Nato ist eine notwendige Sache für unser Überleben", sagte er bereits vor dem Besuch des Kanzlers.
Der blieb aber in Kiew dabei, dass die Beschlüsse der Nato auf den letzten beiden Gipfeln in Vilnius und Washington ausreichend seien. In Washington wurde der Weg der Ukraine in die Nato lediglich als "unumkehrbar" bezeichnet. Ein Beitrittsversprechen blieb aus.
Selenskyj erneuert Kritik an Telefonat mit Putin
Für Irritationen sorgt in der Ukraine nicht nur Scholz' Zurückhaltung bei Nato und Taurus, sondern auch das diplomatische Agieren des Kanzlers. Mitte November hatte Scholz zum ersten Mal seit knapp zwei Jahren wieder mit Putin telefoniert. Selenskyj sagte anschließend, Scholz habe damit die "Büchse der Pandora" geöffnet.
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz bekräftigte er die Kritik. Er befürchte eine Welle derartiger Gespräche, die einer Anerkennung Putins gleichkämen, sagte er. "Ich finde nicht, dass dies die Ukraine stärkt."
Reise zu Beginn des Wahlkampfs: Kritik von Union und BSW
Brisant war der Besuch auch wegen des beginnenden Bundestagswahlkampfs. Scholz hebt dabei seine Doppelstrategie in der Ukraine-Politik als Alleinstellungsmerkmal der SPD hervor: Einerseits weitere Waffenlieferungen zusichern, andererseits verhindern, dass Deutschland und die Nato in den Krieg hineingezogen werden.
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter bezeichnete die Reise vor diesem Hintergrund als unglaubwürdiges Wahlkampfmanöver. Der "Augsburger Allgemeinen" sagte er: "Scholz macht Wahlkampf auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung und bedient zugleich russische Angst-Narrative."
BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht kritisierte die Waffenzusagen von Scholz an die Ukraine scharf. "Als Kanzler ohne Mehrheit schon wieder teure Waffengeschenke zu machen, ist nicht nur rücksichtslos gegenüber den deutschen Steuerzahlern, in deren Land Krankenhäuser schließen und Schulen verrotten, sondern bedeutet auch, dass das Sterben in der Ukraine weitergeht und noch mehr junge Männer an der Front ihr Leben verlieren."/mfi/DP/ngu
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