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26.12.2025 05:00

Die KI geht einkaufen - voraussichtlich ab 2026

«Agentische» KI vor dem Start

München/Düsseldorf (dpa) - Auf Europas Verbraucherinnen und Verbraucher kommt im Online-Handel 2026 eine größere Neuerung zu: Die Einführung von KI-Agenten, die weitgehend selbstständig Einkaufsaufträge, Urlaubsbuchungen und dergleichen erledigen können. «Wir werden nächstes Jahr den ersten Piloten sehen», sagt Pascal Beij, Chief Commercial Officer beim Zahlungsdienstleiter Unzer. Vorbereitungen treffen unter anderem KI-Anbieter, große US-Technologiekonzerne, Kreditkartenunternehmen, aber auch Reise- und sonstige Online-Portale. «Das wird auf jeden Fall kommen.» 

In der Tech-Branche wird die Weiterentwicklung «agentische KI» genannt. Doch worin unterscheidet sich diese von der bisher üblichen generativen KI? Derzeit beantworten ChatGPT und andere KI-Modelle Fragen und erzeugen auf Anweisung ihrer Nutzer Text, Bild und Ton. Im Online-Einkauf sind die Funktionen bislang weitgehend auf die Beantwortung von Fragen und Hilfe bei der Produktsuche beschränkt. 

KI-Agenten können nahezu autonom einkaufen

KI-Einkaufsagenten hingegen werden auch bestellen und bezahlen können, einschließlich zeitraubender Aufgaben. Ein Beispiel: die Planung eines Familienurlaubs mit Buchung von Flügen, Hotels und Zugfahrkarten. «Technisch wird das so funktionieren, dass der Nutzer seine Zahlungsdaten bei dem jeweiligen Unternehmen hinterlegen, aber immer das letzte "Go" für die Freigabe der Zahlung geben muss», sagt Beij. 

Agentische KI könnte im Online-Handel demnach in drei bis fünf Jahren bereits einen Marktanteil von 20 bis 30 Prozent haben. «Ob und wer am Ende dominant wird, ist völlig unklar», meint Beij. Ein Unternehmen, das seine Vorbereitungen abgeschlossen hat, ist eine internationale Großmacht in der Zahlungstechnologie: der vor allem als Herausgeber von Kreditkarten bekannte US-Konzern Visa. «In den USA haben wir bereits hunderte Transaktionen durchgeführt. In Deutschland und Europa wird das im Laufe des nächsten Jahres kommen», sagt Deutschlandchef Tobias Czekalla.

Die nächste Revolution?

Er vergleicht die Neuerung mit dem Start des E-Commerce in den 1990er Jahren. «Jetzt stehen wir an der Schwelle der nächsten Revolution», meint der Manager. «Das ist das erste Mal in der Geschichte, dass Maschinen für Menschen einkaufen.» Der Mensch hat allerdings immer das letzte Wort: «Ist beispielsweise ein Zugticket oder ein Hotel plötzlich teurer geworden, werden die Kunden noch einmal darauf aufmerksam gemacht.» 

Die Kundschaft ist skeptisch

In Umfragen sind viele Verbraucherinnen und Verbraucher jedoch bislang mehr als nur skeptisch. So sagten in einer Umfrage des Handelsforschungsinstituts IFH zwar 60 Prozent der Befragten, dass sie sich beim Einkaufen Unterstützung durch einen KI-Shoppingagenten vorstellen könnten. Nur neun Prozent würden der KI jedoch die komplette Kaufabwicklung inklusive Bezahlung überlassen. 

Wollen Handel und Finanzbranche den KI-Einkaufsagenten zum Durchbruch verhelfen, müssen sie diese ablehnende Haltung überwinden. «Der Kernpunkt ist Vertrauen», sagt Visa-Deutschlandchef Czekalla. «Die Kunden müssen wissen, dass das einfach, sicher und zuverlässig funktioniert.»

Vorbeugung gegen Manipulation 

Dementsprechend treffen Visa und andere Anbieter umfangreiche sicherheitstechnische Vorkehrungen. Sowohl Verbraucher als auch Händler wollen überzeugt werden, dass die KI keinen Schindluder treibt. Visa etwa überprüft jeden KI-Agenten, wie Czekalla sagt. Und die Betreiber von Onlineshops und -portalen wollen sichergehen, dass hinter dem einkaufenden KI-Agenten wirklich ein Mensch steckt. «Durch den Austausch kryptografischer Schlüssel stellen wir sicher, dass keine bösartigen Bots am Werk sind.»

Der Einsatz agentischer KI wird naturgemäß nicht auf Einzelhandel oder Tourismus beschränkt bleiben. «Das eignet sich natürlich nicht nur für Privatkunden, sondern auch für das B2B-Geschäft von Unternehmen», sagt Czekalla. In der IT-Fachwelt gilt als ausgemacht, dass KI-Agenten in Zukunft eine Fülle von Aufgaben auch in ganz anderen Branchen übernehmen werden, von der Produktionsplanung einer Fabrik bis zum Wertpapierhandel. 

Eine Chance für den Mittelstand

Im Einzelhandel werden von der Entwicklung nach Einschätzung des Zahlungsdienstleisters Unzer keineswegs nur Großkonzerne profitieren. «Der Einsatz von Agentic KI bietet Mittelständlern die große Chance, ohne riesiges Werbebudget im Online-Handel gesehen zu werden», sagt Beij. 

«Dafür muss aber die Webseite für AI-getriebene Suchmaschinen optimiert werden: Die Produktbeschreibungen sollten sehr genau und detailliert sein. Je besser die Produktbeschreibung, desto leichter wird man gefunden.» Auch die Bewertungen und die Beiträge auf Diskussionsforen wie Reddit flössen ein- «Objektivität wird eine größere Rolle spielen. KI kann damit im Einkauf wie eine Art Trust Pilot funktionieren.»

Zögerliche Händler könnten unter die Räder kommen 

Die Entwicklung werde sowohl die Kunden- als auch die Handelsseite verändern, meint Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands Bayern in München. «KI ist eine mega Chance, und zwar für kleine und auch große Unternehmen.» Allerdings handelt es sich nach Ohlmanns Einschätzung um eine Chance, die besser nicht verpasst werden sollte: «Wer nicht auf den Zug aufspringt, der kann schnell unter die Räder kommen und Kunden und damit Umsätze verlieren.»

Schon jetzt hat Künstliche Intelligenz das Einkaufsverhalten verändert, Vergleichsportale und Suchmaschinen verlieren an Bedeutung. Die Umfrage des Handelsforschungsinstituts IFH Köln zeigt: Rund zwei Drittel der Verbraucher sehen Vorteile wie Zeitersparnis und bessere Empfehlungen in der Nutzung von KI-Chatbots. Knapp die Hälfte ist überzeugt, auf diesem Weg bessere Preise und Angebote zu finden. 

KI-Anbieter als Einkaufsportale?

«Mit ChatGPT und Co. entstehen neue Wettbewerber, die die Produktsuche an sich ziehen und direkt in den Kauf umwandeln wollen», sagt IFH-Fachmann Ralf Deckers. «Onlineshops geraten dadurch in die Rolle von Regalflächen, die auf der Suche nach Produkten lediglich abgeschritten werden.» Die größte Hürde sieht Deckers im Hinterlegen der Zahlungsdaten: «Viele wollen der KI nicht das Portemonnaie in die Hand drücken, sondern die finale Kauf-Entscheidung selbst treffen.» Die junge Generation ist nach einer Umfrage des Digitalindustrieverbands Bitkom jedoch weniger skeptisch: Demnach würden 43 Prozent der 16- bis 29-Jährigen die KI Einkäufe alleine erledigen lassen.



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