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18.12.2025 14:39

ROUNDUP 2: EU will Asylbewerber leichter in Drittstaaten abschieben

STRASSBURG (dpa-AFX) - Die EU schafft die Grundlage für eine deutlich verschärfte Abschiebepolitik. Deutschland und andere EU-Staaten sollen Schutzsuchende künftig auch in Länder bringen dürfen, zu denen die Betroffenen keine Verbindung haben, wie aus einer Einigung von Vertretern der Mitgliedsländer und des Europaparlaments hervorgeht.

Bislang war es nötig, dass Asylsuchende eine enge Verbindung zu einem solchen Drittstaat haben, etwa durch Familienangehörige oder einen längeren Aufenthalt. Dem Vorhaben nach soll es künftig schon reichen, wenn ein Abkommen zwischen einem Mitgliedstaat und dem Drittstaat besteht.

Die Gesetzesänderung muss noch vom EU-Parlament und den EU-Staaten bestätigt werden. Normalerweise ist das Formsache, wenn sich die Unterhändler der Institutionen zuvor auf einen Kompromiss geeinigt haben.

Schutzsuchende können demnach auch in Länder abgeschoben werden, in denen sie noch nie waren und zu denen sie keine familiäre, kulturelle oder sonstige Bindung haben. Dieses sogenannte Verbindungselement wird optional. Für unbegleitete Minderjährige gibt es hingegen die von den EU-Staaten geforderte Ausnahme. Für sie bleibt ein verbindendes Element zum Land, in das sie abgeschoben werden sollen, eine notwendige Bedingung.

Versucht sich Europa am "Ruanda-Modell"?

Damit soll auch die rechtliche Grundlage für das sogenannte Ruanda-Modell geschaffen werden. Großbritannien wollte Asylbewerber nach Ruanda bringen, die dann auch dort bleiben sollten, wenn ihnen nach der Prüfung ein Schutzstatus gewährt wird.

Umgesetzt werden konnte der Plan auch wegen Gerichtsentscheiden nie wirklich - die neue Labour-Regierung unter Premierminister Keir Starmer kippte den Asylpakt mit Ruanda schließlich. Nach Angaben der britischen Innenministerin Yvette Cooper kostete das Vorhaben mehr als 700 Millionen Pfund (etwa 830 Millionen Euro).

Bundesregierung hatte Machbarkeit geprüft

Das deutsche Bundesinnenministerium hatte die verschiedenen Möglichkeiten, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern, geprüft - darunter auch das "Ruanda-Modell". Ein im Mai veröffentlichter Abschlussbericht kam zu dem Ergebnis: rechtlich grundsätzlich möglich, aber in praktischer Hinsicht mit teils erheblichen Schwierigkeiten verbunden.

In einer Mitteilung des Innenministeriums hieß es damals, eine Anwendung von Drittstaatsmodellen auf eine Vielzahl von Asylbewerbern sei "unrealistisch". Dies gelte auch für den Fall, dass das Verbindungselement - wie nun vorgesehen - nicht mehr verpflichtend sei.

Zuvor gab es Kritik an rechter Mehrheit

Das Europaparlament hatte am Mittwoch mit einer rechten Mehrheit den Weg für Verhandlungen freigemacht. Für das Vorhaben stimmten überwiegend Abgeordnete der Fraktionen rechts der Mitte, darunter auch Abgeordnete der AfD. Dagegen stimmten vor allem Linke, Grüne und Sozialdemokraten.

Aus allen drei Lagern kam Kritik - auch am Vorgehen der EVP-Fraktion im Europaparlament, zu der CDU und CSU gehören. Die EVP wolle eine möglichst schnelle und extreme Verschärfung in der Asylpolitik und nehme dafür eine Zusammenarbeit mit "Rechtsextremen, Klimaleugnern und Putin-Lobbyisten" in Kauf, hatte Erik Marquardt, Chef der Grünen im EU-Parlament, kritisiert.

Die EVP argumentiert, sie arbeite bei Gesetzesvorhaben nicht aktiv mit Rechtsextremen zusammen. Die Brandmauer stehe auch auf europäischer Ebene, hatte EVP-Chef Manfred Weber (CSU) in der Vergangenheit gesagt.

Die EVP-Abgeordnete und Verhandlerin Lena Düpont lobte die in der Nacht gefundene Einigung. "Sie gibt den Mitgliedstaaten die notwendigen Instrumente an die Hand, um Verfahren effizienter zu gestalten", sagte die CDU-Politikerin. Bedauerlich sei, dass Sozialdemokraten und linke Parteien versucht hätten, die Reformen zu blockieren und sich damit erneut einer sachlichen Auseinandersetzung mit den realen Herausforderungen irregulärer Migration verweigerten.

Asylreform wird noch vor Anwendung geändert

Der Umgang mit dem sogenannten Verbindungselement stand schon im vergangenen Jahr bei den Verhandlungen über die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zur Debatte. Die Grünen, Teil der damals regierenden Ampel-Koalition in Deutschland, hatten eine Streichung stets abgelehnt.

Festgehalten wurde schließlich, dass das Verbindungselement als notwendige Bedingungen nach einer Zeit erneut überprüft werden soll - zunächst aber verpflichtend bleibt. Noch bevor die europäische Asylreform Mitte nächsten Jahres Anwendung findet, wird diese Notwendigkeit für Abschiebungen in Drittstaaten nun abgeschafft.

Auch Einigung bei Liste sicherer Herkunftsstaaten

Neben der sogenannten Drittstaatenlösung haben Vertreter von EU-Staaten und des Europaparlaments auch über eine EU-weit geltende Liste sicherer Herkunftsstaaten verhandelt und am Vormittag eine Einigung erzielt: Aus Deutschland und anderen EU-Staaten soll künftig schneller in die nordafrikanische Länder Marokko, Tunesien und Ägypten abgeschoben werden. Dafür werden die Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt.

Auch das Kosovo, Kolumbien sowie die südasiatischen Staaten Indien und Bangladesch sollen demnach zur Liste hinzugefügt werden. Grundsätzlich sollen auch Länder, die Kandidaten für einen EU-Beitritt sind, als sicher gelten. Dazu würden dann etwa Albanien, Montenegro oder die Türkei gehören können. Allerdings können diese Staaten ausgenommen werden, etwa weil die EU Sanktionen gegen sie verhängt hat oder weil in dem Land ein bewaffneter Konflikt ausgebrochen ist.

SPD-Politikerin Birgit Sippel, innenpolitische Sprecherin der Sozialdemokraten im Europaparlament, kritisierte: "Das vorliegende Konzept der sicheren Drittstaaten schafft das Asylrecht praktisch ab, während Herkunftsländer als sicher bezeichnet werden sollen, deren Umgang mit Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechten das Europäische Parlament erst kürzlich verurteilt hat."

Liste auch für Deutschland rechtlich bindend

In Deutschland gibt es bereits eine Liste sogenannter sicherer Herkunftsländer. Die Einstufung soll ebenfalls schnellere Abschiebungen dorthin ermöglichen. Von den Ländern auf der nun beschlossenen EU-Liste waren darauf bisher nur das Kosovo, Albanien und Montenegro als sicher eingestuft.

Die EU-Liste ist bindend für alle Mitgliedstaaten. Gleichzeitig muss dem Vorschlag nach auch weiterhin immer der Einzelfall geprüft werden. Menschen, die aus diesen Ländern kommen und in der EU Schutz suchen, sollen also nicht automatisch abgeschoben werden, bekommen aber ein beschleunigtes Asylverfahren.

Auch zu diesem Vorhaben braucht es noch eine formelle Bestätigung vom EU-Parlament und den EU-Staaten./tre/DP/stw



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