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05.12.2025 06:15

Merz legt die Latte für Renten-Abstimmung hoch

BERLIN (dpa-AFX) - Vor der Entscheidung über das umstrittene Rentengesetz im Bundestag legt Kanzler Friedrich Merz (CDU) die Latte für die eigene Fraktion und Koalition noch einmal ein Stück höher. Er will die absolute Mehrheit aller Abgeordneten im Bundestag erzielen, die sogenannte Kanzlermehrheit von 316 Stimmen. Damit dürfen aus seiner Sicht bei der Schicksalsabstimmung der Koalition heute gegen 12.30 Uhr im Bundestag nicht mehr als zwölf Koalitionsabgeordnete fehlen, mit Nein stimmen oder sich enthalten.

"Wir haben 630 Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Die Mehrheit ist 316. Wir haben 328 und ich würde mir ein Ergebnis wünschen zwischen 316 und 328", sagte der CDU-Vorsitzende nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder in Berlin auf eine Journalistenfrage. Damit nennt er eine Zielmarke, die vor ihm noch niemand aus der Koalition so gesetzt hat. Und sie geht auch weit über das hinaus, was für eine Verabschiedung des Gesetzes nötig ist.

Drei Varianten der "eigenen Mehrheit"

Zwar hatten mehrere Spitzenpolitiker der Koalition vorher schon erklärt, dass sie eine "eigene Mehrheit" bei der Abstimmung anstreben. Es gibt dafür aber drei Varianten:

* Für die Verabschiedung eines einfachen Gesetzes im Bundestag sind mehr Ja- als Nein-Stimmen nötig. Enthaltungen werden nicht mitgerechnet. Da die Fraktion der Linken mit ihren 64 Abgeordneten angekündigt hat, sich zu enthalten, reichen der Koalition eigentlich 284 Stimmen. Damit hätte sie einen Puffer von 44 Stimmen, wenn alle Abgeordneten anwesend sind.

* In der Union will sich aber niemand von der Linken abhängig machen. Deswegen besteht dort Einigkeit, dass eine Mehrheit unabhängig von deren Abstimmungsverhalten her muss. Das wäre dann eine Mehrheit aller abgegebenen Stimmen. In der Regel fehlen bei jeder namentlichen Abstimmung im Bundestag einige Abgeordnete. Wären also zum Beispiel 620 anwesend, würden 311 Stimmen reichen.

* Die Zielmarke, die Merz nun setzt, ist die Koalitionsmehrheit mit Goldrand: die absolute Mehrheit aller in den Bundestag gewählten Abgeordneten. Sie wird auch "Kanzlermehrheit" genannt, weil sie nur in wenigen Fällen gebraucht wird: Bei der Wahl des Bundeskanzlers zum Beispiel oder bei der Vertrauensfrage.

Merz ist sicher: Wir erreichen das

Merz geht also ins Risiko, zeigt sich aber sicher, dass schon nichts schiefgehen werde. "Alle Gespräche, die wir führen, die der Fraktionsvorsitzende mit den Kolleginnen und Kollegen in der Bundestagsfraktion führt, deuten darauf hin, dass wir das erreichen", sagte er.

Die SPD-Chefin Bärbel Bas wollte sich in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" auf Nachfrage nicht der Forderung nach einer Kanzlermehrheit anschließen. Sie sagte lediglich: "Wir brauchen auf jeden Fall 'ne eigene Mehrheit in dieser Koalition. Das ist das Ziel. Wenn alle dafür stimmen, umso besser. Aber mir ist wichtig, dass wir in der Tat 'ne eigene Mehrheit haben."

Kanzler kennt die Zahl der Abweichler

Die Zuversicht des Kanzlers speist sich möglicherweise daraus, dass Merz genau weiß, wie viele Abweichler sich bei der Fraktionsführung gemeldet haben. Dafür gab es eine Frist am Mittwoch um 12.00 Uhr. Da es eine namentliche Abstimmung ist, können die Abgeordneten bei diesem in der Geschäftsordnung der Fraktion festgelegten Verfahren auch nicht schummeln. Sie müssen Farbe bekennen.

Öffentlich angekündigt hat sein Nein bisher nur ein Unions-Abgeordneter: der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel. Er zählt zu den 18 jungen Renten-Rebellen der Unionsfraktion, die befürchten, dass das Gesetz von Arbeitsministerin Bas die jüngere Generation teuer zu stehen kommt.

Das sind die Inhalte, um die es geht

Aber um was geht es bei der Abstimmung inhaltlich genau? Zur Abstimmung stehen drei Gesetze - das sogenannte Rentenpaket. Unumstritten ist die sogenannte Aktivrente, die ab 1. Januar angeboten werden soll: Nach Eintritt ins Rentenalter sollen bis zu 2.000 Euro steuerfrei hinzuverdient werden können. Kein Dissens besteht auch zu einer geplanten Stärkung von Betriebsrenten in kleinen Unternehmen.

Streit gibt es über das folgenreichste Gesetz, das zur Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis 2031 und einer Ausweitung der Mütterrente. Durch diese Niveau-Haltelinie soll verhindert werden, dass die jährlichen Rentenerhöhungen nicht mehr Schritt halten mit den Einkommen in Deutschland. Wenn immer mehr Babyboomer von Einzahlern zu Rentnerinnen und Rentner werden, soll die Rente dafür mit Steuergeld gestützt werden - Kostenpunkt: allein 2031 rund 11 Milliarden Euro.

Was die jungen Unionisten ablehnen: Dass das Rentenniveau auch in den Jahren ab 2032 höher als ohne Gesetz liegen soll - die durch diesen jeweils rund einen Prozentpunkt höheren Wert befürchteten Kosten: rund 15 Milliarden Euro jährlich.

Kurz nach 13 Uhr kommt der Schicksalsmoment der Koalition

Die Stunde der Wahrheit wird kurz nach 13 Uhr erwartet: Dann dürfte die Sitzungsleitung des Parlaments das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über das umstrittene Rentengesetz verkünden. Wenn es mehr Ja- als Nein-Stimmen gibt, kann das Gesetz am 19. Dezember im Bundesrat verabschiedet werden? Zum 1. Januar soll es in Kraft treten.

Ob die Koalition eine eigene Mehrheit auf die Beine gebracht hat, wird erst später am Tag klar werden. Dann werden Listen veröffentlicht, auf denen das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Abgeordneten abzulesen ist.

Existenzielle Regierungskrise bei einem Scheitern

Auch nach der Ergebnisverkündung geht es erst noch einmal weiter mit Renten-Abstimmungen: Über das nicht strittige Betriebsrenten- und das Aktivrentengesetz wird danach mit Handheben nach Fraktionen entschieden, bevor der Bundestag sein weiteres Programm fortsetzt.

Sollte die erste Abstimmung wider Erwarten scheitern, dürfte die Bundestagssitzung aber erst einmal abgebrochen werden. Dann würde die schwarz-rote Regierung sieben Monate nach ihrem Amtsantritt in einer existenziellen Krise stecken./mfi/DP/stk



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