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19.03.2025 11:51

Türkische Justiz nimmt Erdogan-Widersacher fest

ISTANBUL (dpa-AFX) - Wenige Tage vor seiner geplanten Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten der größten türkischen Oppositionspartei ist der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu festgenommen worden - einer der wichtigsten Kontrahenten von Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Das bestätigte seine Partei, die sozialdemokratische CHP. Imamoglu sollte am Sonntag offiziell zu ihrem Kandidaten für die nächste reguläre Präsidentschaftswahl im Jahr 2028 bestimmt werden.

CHP-Chef Özgür Özel sprach vom Versuch eines Staatsstreichs und einem entscheidenden Moment für die Zukunft der türkischen Demokratie. Das Volk solle daran gehindert werden, den nächsten Präsidenten selbst zu bestimmen. Er rief die 1,7 Millionen Parteimitglieder dazu auf, trotzdem am Sonntag an der parteiinternen Wahl des CHP-Spitzenkandidaten teilzunehmen.

Demonstrationsverbot und Straßensperrungen

Das Büro des Gouverneurs der Provinz Istanbul verhängte eine viertägige Demonstrations-, Versammlungs- und Nachrichtensperre bis Sonntag. In der Millionenmetropole wurden auch mehrere Straßen gesperrt. Vier Tage lang bleiben laut dem Gouverneursamt in der Innenstadt ausgewählte Straßen unpassierbar, zudem wurden Bahnstationen geschlossen.

Etliche soziale Netzwerke sowie Kurznachrichtendienste waren nur eingeschränkt nutzbar. Viele Türken beschrieben Drosselungen und Beschränkungen unter anderem auf X, Youtube, Instagram, Tiktok, Whatsapp sowie Signal und Telegram.

Landeswährung Lira sackt ab

Die Festnahmen erschütterten auch die Finanzmärkte. Die Landeswährung Lira sackte zum US-Dollar auf ein Rekordtief ab, der Aktienmarkt brach ein und am Anleihenmarkt zogen die Renditen deutlich an.

Der autoritär auftretende Erdogan führt die Türkei seit mehr als 20 Jahren als Regierungschef oder Präsident. Er darf 2028 laut Verfassung nicht ein weiteres Mal kandidieren - doch er hat angedeutet, dass er gerne länger im Amt bleiben würde. Das wäre rechtlich nur möglich, wenn das Parlament eine vorgezogene Neuwahl ansetzt. Über die nötige Mehrheit dafür verfügen Erdogans Partei und deren Partner ohne die Stimmen der Opposition aber derzeit nicht.

Justiz verfolgt auch Terrorverdacht

Imamoglu wird unter anderem die Führung einer kriminellen Organisation und Korruption vorgeworfen, wie aus dem Haftbefehl der Staatsanwaltschaft hervorgeht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Außerdem gibt es Terrorismusvorwürfe: Der 53-Jährige soll die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK unterstützen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete.

Neben Imamoglu wird gegen 99 weitere Beschuldigte ermittelt. Am Morgen wurden laut Anadolu 79 Menschen festgenommen, darunter auch die Bürgermeister zweier Istanbuler Gemeinden und ein bekannter Sänger. Konkret gehe es dabei um den Verdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Bestechung, Betrug und Ausschreibungsmanipulation.

Imamoglu: "Im Angesicht einer großen Tyrannei"

Imamoglu veröffentlichte am Morgen auf der Plattform X ein Video, in dem er davon sprach, dass Hunderte Polizisten vor seiner Haustür stünden. "Wir befinden uns im Angesicht einer großen Tyrannei", schrieb er dazu. Er werde aber nicht aufgeben. Mehrere Fernsehsender berichteten, die Polizei habe sich Zutritt zu Imamoglus Anwesen verschafft und das Gebäude durchsucht.

Das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden gegen Imamoglu hatte sich schon vorher angekündigt. Am Dienstag war bekanntgeworden, dass die Istanbul-Universität ihm den Hochschulabschluss aberkannt hat. Dieser ist Voraussetzung zur Kandidatur für das Präsidentenamt. Hintergrund der Annullierung soll ein angeblich unrechtmäßiger Universitätswechsel sein. Imamoglu erklärte, er wolle gegen die Entscheidung vor Gericht ziehen, habe aber das Vertrauen in faire Urteile verloren. Ihm drohen in einer Reihe weiterer Verfahren Haftstrafen und Politikverbote. Sein Anwalt Kemal Polat hatte der Deutschen Presse-Agentur vor Bekanntwerden des Haftbefehls gesagt, Imamoglu könne erst als Präsidentschaftskandidat antreten, wenn alle Rechtswege gegen die Entscheidung ausgeschöpft seien./mk/DP/jha



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