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15.06.2025 06:30

Strom durch Freileitung statt Erdkabel? Das wären die Folgen

Ausbau der Stromnetze

Berlin (dpa) - Beim Stromnetzausbau in Deutschland könnte durch eine Umstellung von Erdkabeln auf Freileitungen viel Geld gespart werden - davon könnten auch Verbraucher profitieren. Alleine bei den nächsten drei großen geplanten Neubau-Leitungen - OstWestLink, NordWestLink und SuedWestLink - ließen sich mindestens 20 Milliarden Euro einsparen, sagte Tim Meyerjürgens, Vorstandschef des Stromnetzbetreibers Tennet, der Deutschen Presse-Agentur. 

«Mittelfristig könnten dadurch die Netzentgelte um einen Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden», sagte Meyerjürgens. «Es gilt, jede Möglichkeit zu nutzen, um Industrie, Gewerbe und private Haushalte zu entlasten.» Über die Netzentgelte, die auch private Verbraucher bezahlen, wird unter anderem der Netzausbau finanziert.

Eine Sprecherin der Bundesnetzagentur sagte: «Freileitungen haben unbestritten Kostenvorteile.» Die potenziellen Einsparungen bei den Neubau-Leitungen OstWestLink, NordWestLink und SuedWestLink lägen bei rund 16,5 Milliarden Euro. «Ein Schwenk zu Freileitungen würde die Planung dieser bisher als Erdkabel geplanten Vorhaben allerdings zeitlich zurückwerfen.» Der Stromnetzbetreiber Amprion äußerte sich zurückhaltend zu einem Ende des Erdkabelvorrangs. 

Vorrang für Erdkabel 

Im Zuge der Energiewende mit einem Ausbau der erneuerbaren Energien sollen Tausende neue Kilometer Stromleitungen verlegt werden, um den vor allem im Norden produzierten Windstrom in große Verbrauchszentren im Süden zu transportieren. Seit 2016 gilt ein Erdkabelvorrang für große «Stromautobahnen». Er war von der damaligen Koalition aus Union und SPD eingeführt worden, um die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Netzausbau zu erhöhen. Hintergrund waren Sorgen vor «Monstertrassen». 

In einem Papier der Übertragungsnetzbetreiber Tennet, TransnetBW und 50Hertz heißt es, der Erdkabeleinsatz habe generell nicht die erhoffte größere Akzeptanz ergeben. Die drei Unternehmen sprechen sich für einen Kurswechsel aus.

Koalition hat Reform angekündigt

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es, die neu zu planenden Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetze (HGÜ) sollten, «wo möglich», als Freileitungen umgesetzt werden. «Dabei werden wir besonders belastete Regionen berücksichtigen.» Durch diese Maßnahmen könne der Netzausbau effizienter gestaltet werden. 

Ein Sprecher des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sagte, in einem Monitoring solle bis zur Sommerpause 2025 der zu erwartende Strombedarf sowie unter anderem der Stand der Versorgungssicherheit, des Netzausbaus und des Ausbaus der erneuerbaren Energien als eine Grundlage der weiteren Arbeit überprüft werden. Die Erkenntnisse würden bei den Entscheidungen über künftige HGÜ und ihre Ausführungsart berücksichtigt werden. 

Amprion zurückhaltend

Der Chef des vierten großen Stromnetzbetreibers Amprion, Christoph Müller, sagte: «Vor der Debatte um Technologien steht für uns die Frage der Notwendigkeit. Wir sollten nur bauen, was wir wirklich brauchen. Die derzeitige Entwicklung der Nachfrage spricht dafür, dass es weniger ist als vormals angenommen.» 

Ferner seien Genehmigungsverfahren schneller geworden, das habe auch mit dem Erdkabelvorrang zu tun. Wenn diese Verfahren wieder länger dauerten, habe man durch steigende sogenannte Redispatch-Kosten nichts gespart. Damit sind Ausgleichsmaßnahmen gegen Engpässe im Stromnetz gemeint, die über die Netzentgelte bezahlt werden. «Insofern ist es gefährlich, den Vorrang für Erdkabel abzuschaffen, ohne einen neuen Vorrang für Freileitungen zu schaffen», sagte Müller.

Neustart bei Vorhaben?

Die sogenannten Gleichstrom-Vorhaben OstWestLink, NordWestLink und SuedWestLink wurden vor der Bundestagswahl im Februar nicht mehr in den sogenannten Bundesbedarfsplan aufgenommen. Die Planfeststellung kann daher nicht mehr bis zum 30. Juni unter der EU-Notfallverordnung gestartet werden, so die Bundesnetzagentur. Beschleunigte Genehmigungsverfahren nach der Notfallverordnung kämen für diese Vorhaben daher nicht in Betracht.

«Seit langem fordern wir, den Erdkabelvorrang für Gleichstromvorhaben durch einen Freileitungsvorrang zu ersetzen», sagte Meyerjürgens. «Der Neustart der Genehmigungsverfahren zentraler Netzausbauprojekte bietet jetzt die Chance, noch rechtzeitig umzusteuern und konsequent auf Freileitungen statt Erdkabel zu setzen.»

Um diese Vorhaben geht es

Der OstWestLink soll künftig grünen Strom von der Küste Niedersachsens nach Sachsen transportieren. Der NordWestLink soll Strom aus Windenergie an Land in Schleswig-Holstein und Niedersachsen sowie Offshore-Windstrom in der Nordsee nach Baden-Württemberg bringen. Der SuedWestLink soll die Übertragungskapazität zwischen Schleswig-Holstein und Süddeutschland verstärken. 

Für große Leitungen wie den SuedLink von Norden nach Süden sind laut Tennet für alle Abschnitte die Planfeststellungsunterlagen bei der Bundesnetzagentur eingereicht worden, und es werde der finale Leitungsverlauf festgelegt. An einigen Stellen sei dies bereits erfolgt, die Bauarbeiten hätten begonnen. SuedLink ist als Erdkabelvorhaben geplant. Vielerorts gibt es Bürgerinitiativen gegen neue Stromtrassen.

Die Sprecherin der Bundesnetzagentur sagte, für den NordWestLink und den SuedWestLink seien bereits sogenannte Präferenzräume ermittelt worden, die für eine Erdverkabelung konzipiert worden seien. «Bei einer Entscheidung zur Umstellung auf Freileitungen wären diese Präferenzräume obsolet und müssten komplett neu für Freileitungen ermittelt werden.» Dies hätte massive Verzögerungen zur Folge.

Netzentgelte gestiegen

Mit den Netzentgelten wird unter anderem der Stromnetzausbau finanziert. Die Entgelte als Bestandteil des Strompreises sind in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Eine Senkung der Netzentgelte um einen Cent pro Kilowattstunde durch einen Umstieg auf Fernleitungen würde laut Tennet für private Haushalte bedeuten: Ein Zwei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.000 Kilowattstunden würde dadurch etwa 30 Euro im Jahr einsparen, bei einem Verbrauch von 5.000 Kilowattstunden wären es 50 Euro jährlich.

Warum Freileitungen günstiger sind

Freileitungen lassen sich deutlich schneller und kostengünstiger bauen als Erdkabel, wie aus dem Papier der drei Übertragungsnetzbetreiber hervorgeht. Jeder Kilometer Erdkabel statt Freileitung koste rund 10 bis 20 Millionen Euro mehr. Laut Tennet sind je nach topographischen Gegebenheiten die Baukosten für Freileitungen um den Faktor vier bis acht günstiger als Erdkabel. Zudem sind laut Papier Freileitungen einfacher im Betrieb und schneller repariert.



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