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09.07.2025 16:50

Wirecard-Prozess: Schwarzer Tag für Markus Braun

Milliardenbetrug

München (dpa) - Im Münchner Wirecard-Prozess hat der Insolvenzverwalter die Verteidigungslinie des früheren Vorstandschefs Markus Braun zerpflückt. Die in der Wirecard-Bilanz verbuchten 1,9 Milliarden Euro auf Treuhandkonten in Südostasien habe es nicht gegeben, sagte Rechtsanwalt Michael Jaffé als Zeuge vor dem Landgericht München I. Er ist seit fünf Jahren mit der Suche nach den vermissten Milliarden beschäftigt. 

Insolvenzverwalter: Großteil der Geschäfte gab es nicht 

Der Insolvenzverwalter widersprach zudem ausdrücklich der Argumentation Brauns, die wahren Täter um den abgetauchten früheren Vertriebsvorstand Jan Marsalek hätten Milliardengeschäfte des Konzerns in ein Geflecht von Schattenfirmen umgeleitet und auf eigene Rechnung weiter betrieben: Bei Wirecard habe es diese Geschäfte nicht gegeben. «Dass da irgendetwas rausgedreht worden wäre, ist ausgeschlossen», sagte Jaffé. Braun verfolgte die Ausführungen des Anwalts mit versteinerter Miene.

Der Ex-Vorstandschef sitzt seit fast fünf Jahren in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun und seinen beiden Mitangeklagten Bandenbetrug vor, den Schaden für die kreditgebenden Banken haben die Ermittler auf drei Milliarden Euro beziffert. Der österreichische Manager weist die Vorwürfe zurück und sieht sich selbst als Opfer Marsaleks und dessen Komplizen.

Der einstige Dax-Konzern war Zahlungsdienstleister für Kreditkartenabrechnungen. Der Großteil der in den Bilanzen verbuchten Gewinne stammte aus sogenannten Drittpartnergeschäften im Mittleren Osten und Südostasien. 

Von 1,9 Milliarden Euro «nichts zu sehen»

Die Drittpartner waren Firmen, die im Wirecard-Auftrag Kreditkartenzahlungen in Ländern abgewickelt haben sollen, in denen der deutsche Konzern selbst keine Lizenz hatte. Und Erträge aus diesem Drittpartnergeschäft waren es, die angeblich auf den Treuhandkonten verbucht wurden, zunächst in Singapur, kurz vor der Insolvenz dann auf den Philippinen. Jaffé bezifferte die Summe auf 1,9 Milliarden Euro.

Auf den Philippinen sei das Geld nie angekommen, berichtete der Jurist über seine Untersuchungen – und auch in Singapur «nichts zu sehen von den 1,9 Milliarden Euro».

Braun und seine Verteidiger haben im Laufe des Prozesses immer wieder Marsalek und den mitangeklagten Kronzeugen Oliver Bellenhaus beschuldigt, die fehlenden Gelder veruntreut und Wirecard-Geschäft heimlich auf eigene Rechnung betrieben zu haben. Dem widersprach Jaffé ebenfalls vehement: «Es wurden keine 1,9 Milliarden gestohlen, weil diese 1,9 Milliarden nicht vorhanden waren.» 

Nachforschungen lieferten keine Hinweise

Jaffé hat nach seinen Worten den von Brauns Verteidigern genannten Firmen und Geldflüssen intensiv nachgeforscht, aber keine Indizien gefunden, die deren Darstellung stützen würden. «Wir können das anhand dessen, was wir abgeprüft haben, nicht bestätigen.» Jaffé räumte allerdings ein, dass etliche der von den Verteidigern genannten Firmen auf Anfragen nicht reagierten.

Echte Geschäfte verschwinden nicht spurlos

Doch dass es überhaupt jemals ein Drittpartnergeschäft gegeben haben könnte, schloss Jaffé aus: «Ein Geschäft dieser Größenordnung können Sie nicht spurlos betreiben», sagte der Insolvenzverwalter. Spuren gab es aber nach Worten des Juristen nicht. So hätte die Insolvenz einen Proteststurm von Kunden und Geschäftspartnern auslösen müssen, die keine Zahlungen mehr abwickeln konnten oder Angst um ihr Geld hatten. «Wir haben nicht einen Anruf erhalten (…), niemand, der uns beschimpft oder verflucht hätte.» 

Echtes Geld wurde verbrannt

Stattdessen lebte der einst als deutsches Technologiewunder gepriesene Konzern nach Analyse des Insolvenzverwalters in den Jahren vor der Pleite von Bankkrediten. «Ein Betrieb mit weltweiter Struktur und enormem Cash Burn ohne jegliche Liquidität.». Die Gesamtsumme der Geldverbrennung im Laufe der Jahre bezifferte Jaffé auf 1,1 Milliarden Euro.

Die Höhe der Gesamtschäden ist nach wie vor unklar, und wird vielleicht nie feststehen. Im Insolvenzverfahren haben neben den eigentlichen Gläubigern auch 52.000 Wirecard-Aktionäre Forderungen in Höhe von 8,6 Milliarden Euro angemeldet, die Ersatz für ihre Kursverluste wollen. Der Insolvenzverwalter bestreitet diese Forderungen, am 16. Oktober verhandelt der Bundesgerichtshof in einem separaten zivilrechtlichen Verfahren. 

Der Münchner Strafprozess gegen Braun und seine Mitangeklagten läuft seit Dezember 2022, die Richter haben deutlich gemacht, dass sie ein Urteil gern noch in diesem Jahr sprechen würden. Bisher ist jedoch die Beweisaufnahme nicht abgeschlossen, Termine für Plädoyers und Urteil noch nicht angesetzt.



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