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09.05.2025 11:25

STICHWORT/Notlage in der Asylpolitik?: Der Streit über eine EU-Klausel

BERLIN (dpa-AFX) - Herrscht wegen des Zuzugs von Migranten eine "nationale Notlage" - also eine Art Ausnahmezustand, der Zurückweisungen von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen rechtfertigt? Die "Welt" meldete, Kanzler Friedrich Merz habe eine solche Notlage ausgerufen, und zwar nach Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Das wurde aber schnell dementiert: "Der Bundeskanzler wird keinen nationalen Notstand ausrufen", sagte ein Regierungssprecher.

Worum geht es? Nach den EU-Bestimmungen der Dublin-Verordnung darf die Bundespolizei Asylbewerber nicht einfach an der Grenze zurückweisen. Vielmehr müssen die deutschen Behörden ein kompliziertes und in der Praxis oft schlecht funktionierendes Verfahren in Gang setzen, um sie an den zuständigen EU-Staat zu überstellen - also dorthin, wo sie in die EU eingereist sind. Artikel 72 AEUV enthält allerdings eine Art Notlagenklausel. Danach sind den Nationalstaaten Zurückweisungen an den Grenzen ausnahmsweise gestattet, wenn dies für "die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit" erforderlich ist. Merz selbst hatte Ende August auf diese Bestimmung und die Möglichkeit verwiesen, eine "nationale Notlage" in puncto Migration zu erklären.

Rechtsprofessor: "Notlage klingt nach Staatskollaps"

Wann die Klausel greift, ist nicht klar definiert. Der Konstanzer Rechtsprofessor und Migrationsexperte Daniel Thym findet die Debatte "spannend" und empfiehlt, nicht von "Notlage" zu sprechen, sondern von einer "Ausnahme". Auf X schreibt er: "Notlage klingt nach Staatskollaps und Polizei auf den Straßen. Das fordert Art. 72 AEUV aber überhaupt nicht. Anforderungen sind niedriger!" Und er betont im Podcast "Ronzheimer", es sei rechtlich gar nicht notwendig, dass der Bundeskanzler dazu eine offizielle Erklärung abgibt oder irgendetwas ausruft. Zu den Zurückweisungen von Asylbewerbern, die Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) nun ermöglicht, sagt er: "Das macht man einfach. Und wenn dann jemand dagegen klagt, dann muss man vor Gericht." Dort komme dann die rechtliche Begründung auf den Prüfstand.

Ob Gerichte künftigen Klagen zurückgewiesener Migranten stattgeben, ist laut Thym offen. "Sehr gut" sei, dass "vulnerable Gruppen" wie Schwangere, Kinder und Kranke ausgenommen werden sollen. Das erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass die Gerichte nicht sofort Nein sagten.

Über die Aktivierung der Ausnahmeklausel seien auch die Botschafter der deutschen Nachbarstaaten im Bundesinnenministerium unterrichtet worden, schreibt die "Welt". Das Bundesinnenministerium bestätigte auf X zwar, dass die Botschafter der Nachbarstaaten eingeladen waren. Dies sei aber geschehen, um sie über die Intensivierung der bestehenden Binnengrenzkontrollen zu informieren. In dem Post hieß es weiter: "Bei diesem Termin wurde gegenseitig betont, dass man weiterhin partnerschaftlich und eng zusammenarbeiten wird."/toz/DP/mis



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