11.12.2023-
WOCHENAUSBLICK: Dax-Rekordjagd könnte weitergehen - Luft wird aber dünner
FRANKFURT (dpa-AFX) - In einer mit geldpolitischen Entscheidungen der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB) gespickten Woche könnte der Dax seinen Rekordlauf durchaus fortsetzten. Gleichwohl wird die Luft laut Experten dünner. Am Freitag hatte der deutsche Leitindex nach dem US-Arbeitsmarktbericht ein weiteres Rekordhoch bei 16 782 Punkten erklommen. Die Jobdaten erschienen auf den ersten Blick zwar gut, doch lag das vor allem an Sondereffekten. Der Job-Bericht liefert den Anlegern aber "wieder viel Interpretationsraum bei der Zinsdiskussion", schrieb Marktbeobachter Andreas Lipkow.
Der US-Arbeitsmarkt erholte sich im November von seiner Delle aus dem Vormonat erholt. Die Zahl der neu geschaffenen Stellen ist gestiegen und hat die Erwartungen übertroffen. "Damit können die Börsianer nur bedingt gut leben", kommentierte Portfolio-Manager Thomas Altmann von QC Partners. Der Arbeitsmarktbericht sei zwar nicht extrem stark, aber doch stark genug, um die erwartete erste Zinssenkung nach hinten zu verschieben.
Auf der anderen Seite hängt der vergleichsweise starke Stellenaufbau laut den Experten von Capital Economics vor allem mit zyklischen Jobs und Streikrückkehrern zusammen. Ohne diese Sondereffekte bleibe die Entwicklung des US-Arbeitsmarkts ähnlich mau wie zuvor - was ins Bild einer sich im vierten Quartal weiter abschwächenden Konjunktur passen würde. Diese Lesart stünde der Hoffnung auf zeitnahe Zinssenkungen nicht im Weg und könnte weitere Dax-Rekorde folgen lassen.
Mit dem US-Arbeitsmarktbericht habe "die heiße und zugleich finale Phase des Börsenjahres" begonnen, schrieben die Experten von Index Radar. Am Dienstag folgen die US-Inflationszahlen, bevor am Mittwoch die US-Notenbank Fed und am Donnerstag die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihren Zinsentscheiden im Fokus stehen.
Vor Weihnachten sind von beiden Notenbanken keine Zinsschritte zu erwarten, die Anleger bauen aber bereits auf sinkende Zinsen 2024. "Wir prognostizieren, dass die EZB schon im April erstmalig den Leitzins senkt, während wir für die Fed erst mit einem ersten Zinsschritt im Juni rechnen", schrieb Chefvolkswirt Edgar Walk vom Bankhaus Metzler. Denn er schätzt die wirtschaftliche Lage in der Eurozone schwächer ein als in den USA. Darüber hinaus erwartet Walk einen deutlich schnelleren Rückgang der Kerninflation in der Eurozone als in den USA.
"Es ist zwar nicht zu erwarten, dass das Zwei-Prozent-Ziel der EZB in den kommenden Monaten erreicht wird. Die Teuerung ist aber nicht weit davon entfernt, was naturgemäß Spekulationen über eine schnellere Zinswende nährt", kommentierte Experte Ulf Krauss von der Landesbank Helaba. Bei der Zinssitzung werde erstmals eine Projektion für 2026 vorgelegt, die unter dem Inflationsziel liegen könnte. "Dies dürfte den Anlegern gefallen und spricht für eine eher gute Stimmung an den Aktien- und Rentenmärkten nach der EZB-Pressekonferenz", so Krauss.
Aus Sicht von LBBW-Experte Elmar Völker ist das Potenzial für Enttäuschungen aber beträchtlich. Noch sei offen, inwiefern sich Fed-Chef Jerome Powell und EZB-Präsidentin Christine Lagarde den Zinssenkungsspekulationen verbal entgegenstemmen. "Beide haben bis zuletzt regelmäßig davor gewarnt, voreilig den Sieg über die Inflation zu erklären", schrieb Völker. Die extrem hochfliegenden Erwartungen der Marktteilnehmer müssten sich an den Zinssenkungen im kommenden Jahr messen lassen.
"Die anhaltenden Kursgewinne am Kapitalmarkt fühlen sich an wie eine verfrühte Bescherung vom Weihnachtsmann", kommentierte Sascha Rehbein von der Weberbank. Allerdings würden die Märkte die Kernbotschaft der Notenbanker in letzter Zeit ignorieren, nämlich "higher for longer" - also die Absicht, die Leitzinsen über einen längeren Zeitraum auf hohem Niveau zu halten.
Eine kurze Korrektur am Aktienmarkt könnte also auch drin sein, je nachdem, welche Signale die Notenbanker senden. Auch der schönste und stabilste Aufwärtstrend sei nicht auf Dauer mit der zuletzt gesehenen Dynamik durchzuhalten, erklärt Marktexperte Christoph Geyer. Immerhin habe der deutsche Leitindex seit Ende Oktober über 2000 Punkte zugelegt, ohne dass es einen nennenswerten Rücksetzer gegeben habe. Und nun stehe eine Woche bevor, die nach der Saisonalität durchaus einen kurzen Knick nach unten bereithalten könnte. "Dies würde in das Gesamtbild passen und eine Korrektur bis in den Bereich des Ausbruchs rechtfertigen. Damit wäre dann alles angerichtet, um die seit Anfang November laufende Jahresendrallye fortsetzen zu können."
Jenseits der Geldpolitik steht mit den ZEW-Konjunkturerwartungen am Dienstag ein weiteres konjunkturelles Highlight auf der Agenda. Zuletzt hatte sich das Stimmungsbarometer der Finanzexperten in Deutschland vier Monate in Folge aufgehellt, allerdings auf sehr niedrigem Niveau. Ansonsten dürften Zahlen zur Industrieproduktion der Eurozone am Mittwoch Beachtung finden, ebenso wie frische Einkaufsmanagerindizes am Freitag. Außerdem geben zum Jahresende hin zahlreiche Institute ihre Konjunkturprognosen für 2024 ab.
Unternehmensseitig steht indes eine ruhige Woche bevor. Am Dienstag veröffentlicht der Medizintechnikhersteller Carl Zeiss Meditec seine Jahreszahlen, am Donnerstag folgt der Ingenieursdienstleister Bertrandt . Ansonsten gibt es im Wochenverlauf auch Neues aus der Modebranche: Inditex zieht Bilanz nach neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres und H&M berichtet über den Umsatz im vierten Geschäftsquartal./niw/bek/jha/mis
--- Von Nicklas Wolf, dpa-AFX --- |