30.01.2024-
ROUNDUP 2: Deutsche Wirtschaft geht ohne Rückenwind ins Jahr 2024
WIESBADEN (dpa-AFX) - Die Hoffnung auf eine baldige Konjunkturerholung in Deutschland schwindet. Nach einem Rückgang der Wirtschaftsleistung zum Jahresende 2023 geht Europas größte Volkswirtschaft ohne Rückenwind in die kommenden Monate. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank nach vorläufigen Daten im vierten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorquartal preis-, kalender- und saisonbereinigt um 0,3 Prozent. Das Statistische Bundesamt bestätigte am Dienstag eine erste Schätzung. Im europäischen Vergleich rangiert Deutschland damit auf einem der hinteren Plätze.
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, sieht aktuell keine Anzeichen für eine unmittelbare konjunkturelle Trendwende. "Vielmehr ist zu erwarten, dass sich die deutsche Wirtschaft auch in den kommenden Quartalen zwischen Rezession und Stagnation bewegen wird."
Nach vorläufigen Angaben der Statistiker gab es zum Jahresende 2023 vor allem bei den Bauinvestitionen und Investitionen der Unternehmen in Ausrüstungen wie Fahrzeuge und Maschinen im Vergleich zum Vorquartal ein deutliches Minus.
"Für das erste Quartal 2024 zeichnet sich erneut ein Rückgang der Wirtschaftsleistung ab", sagte Commerzbank -Chefvolkswirt Jörg Krämer. Dafür spreche der Abwärtstrend der Industrieproduktion, der jüngste Rückgang der Auftragseingänge sowie das niedrige Niveau des Ifo-Geschäftsklimas. "Nach einem Ende der Rezession ist kein kräftiger Aufschwung in Sicht."
Aussichten eingetrübt
Die Aussichten für das laufende Jahr hatten sich zuletzt eingetrübt. Viele Volkswirte senkten ihre Prognosen und gehen von einem Wachstum von teils deutlich weniger als einem Prozent aus. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) rechnet bestenfalls mit einer Stagnation. Einige Ökonomen schließen auch einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes im Gesamtjahr 2024 nicht aus.
Sorgen bereiten zurzeit auch die Angriffe von Huthi-Rebellen im Jemen auf Schiffe mit angeblich israelischer Verbindung im Roten Meer. Große Reedereien meiden die wichtige Handelsroute deswegen zunehmend. Die Krise im Roten Meer "kann sich auch auf die Preise auswirken. Dies führt für die betroffenen Unternehmen zu Verzögerungen und längeren Lieferfristen", sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums der "Bild" (Dienstag).
Nachfrage in nahezu allen Wirtschaftsbereichen gesunken
Nach Angaben von Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser klagen die Firmen in nahezu allen Wirtschaftsbereichen über eine rückläufige Nachfrage. Zusätzlich werde die Wirtschaft durch eine Reihe von Sonderfaktoren belastet. "Dazu zählen der hohe Krankenstand, die Streiks bei der Deutschen Bahn sowie der außergewöhnlich kalte und schneereiche Januar. Aber erste Lichtblicke gibt es beim privaten Konsum."
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hatte sich zu Beginn des Jahres verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima fiel im Januar den zweiten Monat in Folge. Auch die Kauflaune der Menschen trübte sich nach Angaben des Konsumforschungsinstituts GfK und des Nürnberg Instituts für Marktentscheidungen (NIM) zuletzt wieder ein. Hoffnungen auf eine nachhaltige Erholung des Konsumklimas müssten weiter in die Zukunft verschoben werden. Krisen und Kriege sowie eine anhaltend hohe Inflation verunsicherten Verbraucher und verhinderten eine Verbesserung der Konsumstimmung, hieß es.
Im vergangenen Jahr fiel der Privatkonsum in Deutschland als wichtige Konjunkturstütze aus. Zugleich bekamen Exporteure die Schwäche des Welthandels zu spüren, gestiegene Immobilienzinsen bremsten den Bau aus. Die Wirtschaftsleistung sank verglichen mit dem Vorjahr preisbereinigt um 0,3 Prozent. Deutschland rutschte damit in eine leichte Rezession. Auch hier bestätigten die Statistiker vorläufige Daten.
Wirtschaftsweise für Lockerung der Schuldenbremse
Kritisch sehen manche Volkswirte die Schuldenbremse, sie erschwere wichtige Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur. Die "Wirtschaftsweisen" plädieren für eine umfassende Lockerung. "Wir wollen die Flexibilität erhöhen und Spielräume schaffen, sodass man zukunftsorientierte öffentliche Ausgaben tätigen kann, ohne dabei die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen auszuhöhlen", sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Monika Schnitzer.
Im Euroraum stagnierte die Wirtschaftsleistung nach vorläufigen Daten des europäischen Statistikamtes im vierten Quartal 2023 bezogen auf das Vorquartal. Zu den wachstumsstärksten Ländern, die bislang Zahlen vorlegten, zählten Spanien mit einem Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent zum Jahresende und Portugal mit einem Plus von 0,8 Prozent. Im Nachbarland Frankreich stagnierte das Bruttoinlandsprodukt, in Italien wurde ein leichtes Plus von 0,2 Prozent verzeichnet. In Irland schrumpfte das BIP dagegen um 0,7 Prozent./mar/DP/bgf |