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06.11.2025-

ROUNDUP 2: 'Stahlgipfel' beim Bundeskanzler - darum ging es

(neu: mit Statements nach dem Gipfel)

BERLIN (dpa-AFX) - Die deutsche Stahlindustrie ist laut Bundeskanzler Merz in einer "existenzbedrohenden Krise" - ein "Stahlgipfel" im Kanzleramt soll helfen: Was kann die Politik tun, damit die Unternehmen auch in Zukunft in Deutschland mit Stahl Geld verdienen können? Wie kann die Stahlproduktion gleichzeitig klimafreundlicher werden? Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte dazu die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Stahlindustrie, Vertreter von Unternehmen und Arbeitnehmern sowie Kabinettskollegen zu einem Austausch darüber eingeladen.

Wie lief der "Stahlgipfel" ab?

Die Besetzung zeigt, wie wichtig die Bundesregierung den "Stahlgipfel" nahm: Neben Merz waren auch Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sowie Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) dabei. Mehr als zwei Stunden - und damit länger als geplant - sprachen die Politikerinnen und Politiker aus Bund und Ländern mit Vertretern von Unternehmen, Arbeitnehmern und der Gewerkschaft IG Metall.

Was kam beim Stahlgipfel raus?

Laut Bundeskanzler Merz eine große Einigkeit darüber, was zu tun ist. Der Kanzler ging nach dem Treffen auf drei Bereiche näher ein: So brauche die Stahlindustrie einen wirksamen Außenhandelsschutz unter anderem wegen umgeleiteter Warenströme aus China, die wegen der US-Zölle die Märkte überschwemmen. Nötig sei auch eine Senkung der Energiepreise. Er verwies auf die Absicht der Bundesregierung, einen Industriestrompreis einzuführen. Darüber wird aber noch mit Brüssel verhandelt. Man müsse schließlich dafür sorgen, dass bei der Beschaffung europäischer Stahl präferiert werde. "Wir müssen unsere Märkte schützen und unsere Hersteller schützen", so der Kanzler.

Auch andere Teilnehmer zogen eine positive Bilanz und betonten die Übereinstimmungen. IG Metall-Vize Jürgen Kerner sprach beim Thema Strompreisentlastungen von einem "klaren Signal, dass wir mit einer geeinten Stimme in Brüssel auftreten, und zwar nicht nur die Regierung, die Ministerpräsidenten, sondern auch wir als Sozialpartner das mit unterstützen".

Welche Rolle spielt die Stahlindustrie in Deutschland?

Eine zentrale Rolle, weil für sehr viele Produkte Stahl benötigt wird. Dies gilt etwa für den Autobau, die Bauindustrie und den Maschinenbau. Aber auch Haushaltsgeräte kommen nicht ohne aus. Stahl ist nicht gleich Stahl: Die Firmen bieten mehr als 2.500 Stahlsorten an - etwa für Drähte, Bleche, Stangen, Rohre oder Schienen.

Etwa 80.000 Menschen sind direkt in der stahlerzeugenden Branche beschäftigt. Große Firmen sind etwa Thyssenkrupp Steel, Salzgitter, ArcelorMittal , Dillinger und Saarstahl. In der nächsten Stufe der Wertschöpfungskette arbeiten laut Branchenverband Wirtschaftsvereinigung Stahl rund vier Millionen Menschen in sogenannten stahlintensiven Branchen.

Gut 37 Millionen Tonnen Rohstahl wurden 2024 in Deutschland erzeugt. Die Menge lag das dritte Jahr in Folge unter der 40-Millionen-Marke, ab der die Branche von einer Rezession spricht. Der meiste Stahl wird in Duisburg produziert.

In Europa ist Deutschland der mit Abstand größte Rohstahlproduzent. 2024 wurde mehr als ein Viertel der EU-Produktion (knapp 130 Millionen Tonnen) hierzulande produziert. Weltweit liegt deutscher Stahl mengenmäßig auf Platz 7. Den Spitzenplatz belegte 2024 mit großem Abstand China mit 1.005 Millionen Tonnen vor Indien (149 Millionen Tonnen).

Was sind die drängendsten Probleme?

Die Branche klagt über unfaire Wettbewerbsbedingungen. "Massiv zunehmende und oft unfair subventionierte Importe drängen auf den EU-Markt", heißt es beim Branchenverband. Jede dritte in der EU eingesetzte Tonne Stahl komme inzwischen aus Drittstaaten. Zum anderen machen hohe Energiepreise den Firmen schwer zu schaffen. Schließlich hat sich in den vergangenen Jahren auch die Konjunkturschwäche ausgewirkt. Seit 2017 ist laut Branchenverband das Marktvolumen um rund ein Drittel gesunken. Hinzu kommen Milliarden-Kosten für die Umstellung der Produktionsverfahren Richtung Klimaneutralität.

Warum soll die Stahlherstellung klimafreundlicher werden?

Weil die Stahlindustrie extrem viel klimaschädliches Kohlendioxid ausstößt. Etwa sieben Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland gehen auf das Konto der Branche. Verantwortlich ist dafür vor allem die klassische Roheisenerzeugung in Hochöfen, bei der sehr viel Kohlenstoff etwa in Form von Koks benötigt wird. Er sorgt für Hitze und entzieht dem Eisenerz den Sauerstoff, was Reduktion genannt wird. Derzeit werden rund 70 Prozent des Roheisens in Hochöfen gewonnen. Für die übrigen 30 Prozent wird Schrott in großen, elektrisch betriebenen Öfen eingeschmolzen.

Kann man Stahl auch klimafreundlicher herstellen?

Ja. Vor allem, indem ein Verfahren angewendet wird, bei dem anstatt Kohle und Koks idealerweise klimafreundlich hergestellter Wasserstoff zum Einsatz kommt. Abfallstoff ist dann nicht Kohlendioxid, sondern Wasser. Die Anlagen heißen nicht Hochöfen, sondern Direktreduktionsanlagen.

Problem: Benötigt werden riesige Mengen Wasserstoff, die aber noch nicht verfügbar sind. Übergangsweise sollen neue Anlagen daher mit Erdgas betrieben werden, wie ArcelorMittal es schon seit Langem in einer Anlage in Hamburg macht. Neue, mit staatlichen Milliardenhilfen geförderte Anlagen sind in Bau, etwa in Duisburg und Salzgitter. Auch der verstärkte Einsatz von Wind- und Sonnenstrom in den Elektroöfen hilft, den Treibhausgas-Ausstoß zu verringern.

Die Bundesregierung ging in einer Presseerklärung zum Stahlgipfel näher auf das Thema Wasserstoff ein. Man wolle den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft pragmatisch voranbringen, heißt es darin. "Für die Dekarbonisierung der Stahlindustrie zu einer klimafreundlichen Produktion muss bezahlbarer Wasserstoff in ausreichenden Mengen verfügbar sein." Man wolle außerdem einen rascheren Ausbau des Wasserstoffkernnetzes vorantreiben, "damit Anlagen zur Stahlherstellung möglichst schnell und in den vereinbarten Zeitplänen angeschlossen werden".

Was kann die Politik überhaupt tun?

Schon vor dem Stahlgipfel war klar, dass die Bundesregierung die Branche stützen will - auch, weil Deutschland ohne eigenständige Stahlindustrie abhängig wäre von Ländern wie China. Zum einen soll die sogenannte Strompreiskompensation über 2030 hinaus verlängert werden, wie Wirtschaftsministerin Reiche ankündigte. Dabei werden Firmen indirekt von Kosten des CO2-Emissionshandels entlastet.

Zudem soll am 1. Januar 2026 ein Industriestrompreis eingeführt werden. Durch staatliche Subventionen soll der Strompreis für energieintensive Unternehmen spürbar sinken. Nach EU-Vorgaben ist es bisher faktisch nicht möglich, dass Unternehmen von beiden Hilfen profitieren, also der Strompreiskompensation und dem Industriestrompreis. Die Bundesregierung will dies ändern: Industriestrompreis und Strompreiskompensation sollen laut Finanzminister Klingbeil "zusammenwirken".

Bereits beschlossen sind zudem Entlastungen bei den Strom-Netzentgelten 2026 - wobei die Stahlbranche auf eine dauerhafte Senkung pocht. Mehr Flexibilität könnte es beim Einsatz von Wasserstoff geben. Angestrebt wird eigentlich "grüner" Wasserstoff, der auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wird. Dieser ist aber noch sehr teuer und nicht im ausreichenden Maß vorhanden. Deswegen könnte zunächst "blauer" Wasserstoff zum Einsatz kommen, der aus Erdgas hergestellt wird.

Viele wichtige Maßnahmen kann die Bundesregierung aber nicht alleine beschließen - weil sie auf EU-Ebene entschieden werden. Dabei geht es vor allem um Handelspolitik.

Höhere Zölle zum Schutz der EU-Stahlindustrie im Gespräch

Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, die heimische Stahlindustrie mit deutlich höheren Zöllen vor billiger Konkurrenz aus Ländern wie China zu schützen. Zudem soll die Menge für zollfreie Importe nahezu halbiert werden. Konkret soll der Zollsatz für Importe, die darüber hinausgehen, auf 50 Prozent verdoppelt werden. Das könnte Auswirkungen haben auf die schwierigen Verhandlungen mit den USA, die für Stahl und Aluminium Importzölle von 50 Prozent erheben.

Finanzminister Klingbeil fordert zudem ein vollständiges Ende aller Stahlimporte aus Russland. Noch immer seien Stahlbrammen, die in Russland produziert und in der EU weiterverarbeitet werden, von Sanktionen ausgenommen. "Das kann ich niemandem erklären, dass wir auf der einen Seite nach finanziellen Möglichkeiten suchen, die Ukraine weiter zu unterstützen und auf der anderen Seite, obwohl der heimische Stahlmarkt das leisten könnte, wir trotzdem noch die Brammen aus Russland importieren. Das muss beendet werden", sagte er nach dem "Stahlgipfel"./tob/DP/nas

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