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11.11.2025 07:20

ROUNDUP: Mindestlohnrichtlinie auf dem Prüfstand - EuGH fällt Urteil

LUXEMBURG (dpa-AFX) - Der Europäische Gerichtshof entscheidet heute über die Zukunft der EU-Mindestlohnrichtlinie. Die Richterinnen und Richter der Großen Kammer müssen entscheiden, ob das 2022 von den EU-Staaten per Mehrheitsentscheidung beschlossene Regelwerk mit den europäischen Verträgen im Einklang steht. Dänemark ficht das mit Unterstützung von Schweden an und hatte deswegen Anfang 2023 Klage eingereicht.

Die EU-Richtlinie über angemessene Mindestlöhne definiert Standards, wie gesetzliche Mindestlöhne festgelegt, aktualisiert und durchgesetzt werden sollen.

Dänemark argumentiert, dass der EU-Gesetzgeber mit dem Erlass der Richtlinie seine Kompetenzen überschritten habe. Es bezieht sich dabei auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Mit diesem werden aus Sicht Dänemarks unter anderem Richtlinien für Arbeitsbedingungen möglich gemacht, nicht aber für das Arbeitsentgelt.

Generalanwalt für Abschaffung der Richtlinie

In seinen Schlussanträgen zu dem Verfahren war der zuständige Generalanwalt des EuGH der Argumentation in zentralen Punkten gefolgt und hatte dem Gerichtshof empfohlen, die Richtlinie in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Die Richter sind daran allerdings nicht gebunden.

Sollte die Mindestlohnrichtlinie gekippt werden, würde in Deutschland die Diskussion darüber hinfällig werden, ob die bereits seit elf Jahren geltenden nationalen Regelungen im Mindestlohngesetz an EU-Recht angepasst werden müssen. In diesem Zusammenhang gibt es beispielsweise seit längerem die Forderung, den Mindestlohn auf Grundlage eines in der EU-Richtlinie erwähnten Referenzwertes festzulegen. Dies würde es erfordern, dass Arbeitgeber mindestens 60 Prozent des mittleren Bruttolohns in Deutschland zahlen. Der mittlere Bruttolohn ist dabei der Lohn, bei dem die eine Hälfte der Beschäftigten mehr und die andere Hälfte der Beschäftigten weniger verdienen.

Muss Deutschland den Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen?

Die Bundesregierung hatte jüngst beschlossen, dass der derzeitige Mindestlohn in Höhe von 12,82 Euro zum 1. Januar auf 13,90 Euro pro Stunde und ein Jahr später um weitere 70 Cent auf 14,60 pro Stunde steigt. Bei Verwendung des mittleren Lohns hätte er allerdings nach Gewerkschaftsangaben eigentlich auf mehr als 15 Euro angehoben werden müssen.

Nach der Richtlinie müsste Deutschland zudem einen Aktionsplan zur Förderung von Tarifverhandlungen vorlegen, weil in der Bundesrepublik zuletzt nur rund 50 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem per Tarifvertrag geregelten Beschäftigungsverhältnis waren. Das zielt darauf ab, den Anteil der Arbeitsverhältnisse zu erhöhen, für die ein Tarifvertrag gilt. Nicht nötig ist ein Aktionsplan laut Richtlinie nur dann, wenn die tarifvertragliche Abdeckung bei 80 Prozent oder höher liegt.

Deutschland hat nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bisher noch keinen Aktionsplan bei der EU-Kommission eingereicht. Dies soll den Angaben zufolge bis zum 31. Dezember geschehen.

Der Arbeitsrechtsprofessor Adam Sagan von der Universität Bayreuth sagte der Deutschen Presse-Agentur, eine Nichtigkeitserklärung der Mindestlohnrichtlinie wäre ein herber Rückschlag für die Sozialpolitik der EU. Erkläre der EuGH sie hingegen für wirksam, werde Deutschland sein Mindestlohngesetz reformieren müssen, etwa bei der Frage, wer den Mindestlohn beanspruchen könne und welche Kriterien bei seiner Festsetzung zu berücksichtigen seien. "Das bedeute nicht, dass sich am Ergebnis etwas ändern müsste", betonte Sagan. Es könnte am Ende auch bei den beschlossenen 13,90 Euro als Mindestlohn bleiben.

Der Politikwissenschaftler Martin Höpner vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung verweist hingegen darauf, dass die Vorgaben der Richtlinie teilweise nebulös und auslegungsbedürftig seien. Aus seiner Sicht sei Deutschland auch im Fall einer Zurückweisung der dänischen Klage wahrscheinlich auf der sicheren Seite. Im Hinblick auf die Tarifbindungsziele werde Deutschland der Kommission allerdings den Aktionsplan für eine Verbesserung der Tarifbindung übermitteln müssen.

"Entgegen dem europäischen Trend ist die Tarifabdeckung in Deutschland in den letzten zwei Dekaden rapide gesunken, auf um die 50 Prozent", sagt der Professor. Das sei dramatisch, der deutsche Gesetzgeber sollte hier unbedingt mehr tun, so Höpner. Dies könne er jedoch sowohl mit als auch ohne EU-Richtlinie./aha/DP/zb



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